27 - Im Lande des Mahdi I
sind! Also darum haben Sie mir die Freiwohnung angeboten?“
„Nicht darum allein, sondern auch weil ich viel von Ihnen gehört habe und darum wünsche, daß Sie mich begleiten. Denken Sie sich in meine Lage! Dieses Haus ist die einzig passende Wohnung für mich und für meine Schwester; muß ich es wegen des Gespenstes verlassen, so finde ich keine zweite, welche unseren Ansprüchen in dieser Weise entspricht. Darum sind Sie mir so willkommen, denn ich weiß, daß der tote Major sein Haus nicht betreten wird, solange Sie sich in demselben befinden. Meine Schwester fürchtet sich fast bis auf den Tod; sie will fort. Meine Diener haben mir gesagt, daß sie mich verlassen werden, wenn ich hier bleibe. Sie alle werden sich beruhigt fühlen, wenn ich ihnen sage, daß Sie unser Hausgenosse geworden sind.“
„So machen Sie ihnen diese Mitteilung schleunigst! Es freut mich herzlich, zu erfahren, daß die mohammedanischen Gespenster solche Angst vor uns Christen haben, und wenn der tote Major ein kluges Gespenst ist, so unterläßt er gleich von heute an seine Besuche. Wieviel zahlen Sie denn für dieses verrufene Haus?“
„Wöchentlich fünfzig Piaster. Denken Sie, wie billig!“
„Doch wegen des Gespenstes!“
„Ja. Ganz Kairo weiß, daß es hier umgeht, und niemand zieht herein. Es kann nur noch an Fremde vermietet werden, und auch diese bleiben nur einige Tage, höchstens eine Woche da.“
„Und wer ist der jetzige Besitzer?“
„Die Witwe des Verstorbenen; aber auch sie hat es nicht aushalten können und ist zu ihrem Bruder gezogen, welcher Teppichhändler in der Muski ist.“
„Hm! Ich halte es für sehr unrecht von dem Geist, so schlecht an seinem Weib zu handeln. Wenn er ihr das Haus hinterlassen, sie also zu seiner Erbin eingesetzt hat, so ist es ihm gar nicht zu verzeihen, daß er sie nun in dieser Weise aus dem Erbe treibt.“
„Oh, er hat es ihr ja nicht vermacht, sondern der Kadirine, der frommen Bruderschaft des Seyd Abd el Kader el Djelani. Die Witwe hat das Recht, es bis zu ihrem Tod zu bewohnen; dann fällt es der Bruderschaft anheim.“
„Ah so! Diese fromme Kadirine darf das Haus bis zum Tod der Witwe nicht benutzen, und da geht der tote Major als Gespenst um! Gehen Sie zu ihrer Schwester, und sagen Sie derselben, daß der Geist sie höchstens noch einmal belästigen wird!“
„Sie sind also meiner Meinung geworden? Sie geben mir recht? Das freut mich außerordentlich. Ja, ich werde jetzt gleich zu ihr gehen, um ihr diese frohe Botschaft zu verkündigen. Aber nicht das allein wird sie entzücken. Ich habe ihr damals von Ihnen erzählt, und wenn ich ihr sage, daß ich Sie wiedergesehen habe, daß Sie sich hier befinden, und daß Sie vielleicht mit uns nach Khartum gehen werden, so wird ihre Besorgnis wegen der gefährlichen Reise sofort verschwinden. Überhaupt habe ich ihr auf alle Fälle Ihre Anwesenheit zu melden, weil Sie bei uns essen werden.“
Er stand auf und ging. So war ich denn gleich in den ersten Stunden meiner Anwesenheit in Kairo mitten ins schönste Abenteuer geplatzt. Hoffnung auf freie Reise nach Khartum, und außerdem die beste Aussicht, den Geist eines ägyptischen Majors beim Schopf nehmen zu können. Herz, was willst du mehr!
Was das Gespenst betrifft, so war mir, als ich die näheren Umstände vernahm, ein ähnlicher Gespensterfall in den Sinn gekommen, ein Fall, welcher sich in einem Dorf nahe meiner Heimat und zuletzt gar vor dem Strafrichter abgespielt hatte. Ein reicher Bauer war gestorben und hatte im Testament bestimmt, daß eine alte Verwandte das kleine Hinterhaus bis zu ihrem Tod zur Verfügung haben solle. Bald nach dem Begräbnis begann der Verstorbene zu spuken, und zwar sonderbarer Weise im Hinterhaus. Die alte Frau glaubte aber nicht an Gespenster. Sie war klüger als die Majorswitwe in Kairo und ließ heimlich einige handfeste Männer kommen, welche sich versteckten und den Geist erwarteten. Er wurde ergriffen und des Bettuches, welches er umhängen hatte, entledigt; es war der Erbe, der Sohn des Verstorbenen, welcher der alten Frau das Hinterhaus nicht gegönnt hatte.
Sollte, wenn nicht der gleiche, doch ein ähnlicher Fall in Ägypten vorkommen können? Ich war jetzt allein und trat zur Tür, um sie zu untersuchen. Alles war leicht zu erklären, nur das eine nicht, daß der Geist verriegelte Türen hatte passieren können. Meine Stube hatte drei Türen; durch die eine waren wir gekommen; die zweite führte nach den Gemächern des Türken,
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