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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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flötenartigen Instrument. Zwischendurch drängt sich ein langer Zug tief verhüllter Frauen, die auf Eseln reiten. Dann kommen hohe, schwerbeladene Kamele die Straße herauf, jedes mit einem Strohseil an den Schwanz des voranschreitenden gebunden. Dahinter keuchen Hammals (Lastträger) mit schweren Packen und Kisten auf den Köpfen; sie singen dabei, um nicht aus dem Takt zu kommen, mit dumpfer Stimme einige immer wiederkehrende Worte. Jetzt kommt ein Pfeifenreiniger mit einigen Bündeln langer, mit Werg umwickelter Drähte in den schmutzigen, nach Tabaksaft duftenden Händen; dann ein Sakkah hemali, ein Wasserhändler, welcher ein großes irdenes Gefäß mit sich schleppt, um für eine geringe Entschädigung die Durstigen zu erquicken. Auf der anderen Seite der Straße wird der Beweis geliefert, daß hier selbst die intimsten Geschäfte öffentlich und mit möglichst großem Lärm abgemacht werden. Die Vorderfronten der Häuser sind offen, so daß man in jeden Laden, in jede Wohnung blicken kann. Da sitzt ein ehrwürdiger Bürger auf der Matte, hält einen zappelnden Buben zwischen den Beinen und befreit den Haarwald desselben höchst eifrig von jenem Wild, an welchem Ägypten schon zur Zeit der Pharaonen reich gewesen sein soll. Von einer daneben wohnenden Alten wird etwas auf die Straße geworfen; es ist eine Katze, welche soeben die Augen für immer geschlossen hat, vielleicht vor Hunger. Der Leichnam wird auf der Straße verwesen, ohne daß ein Mensch sich um den dadurch entstehenden Gestank bekümmert; reitet doch der Pascha, welcher soeben erscheint, über den Kadaver weg, ohne in der Anwesenheit desselben etwas Ordnungswidriges zu finden; auch sein Gefolge würdigt denselben nicht der mindesten Aufmerksamkeit, und der voranschreitende Läufer hält es nicht der Mühe wert, ihn durch eine Bewegung des Fußes hinwegzuräumen. Gerade da, wo der erwähnte Alte den Kopf seines Enkels ‚entvölkert‘, sitzt ein weißbärtiger, ehrwürdiger Greis, mit dem Rücken an die hölzerne Tragsäule gelehnt. Still, wie in Verzückung und mit geschlossen Augen, läßt er die Perlen seiner Gebetkette durch die dürren, zitternden Finger gleiten. Seine Lippen bewegen sich im Gebet. Er sieht und hört nicht, was vor ihm und um ihn geschieht; er ist der Erde entrückt und wandelt im Geist in den Gefilden des Paradieses, welches Mohammed den Gläubigen verheißen hat.
    Da ertönt der laute Ruf: „Unser Morgen sei weiß!“ Es ist ein Milchverkäufer, welcher in dieser Weise auf seine Ware aufmerksam macht. „Tröster der Schmachtenden, fließend vor Saft!“ ruft ein anderer, welcher Melonen feilbietet. „Sie entsproß aus dem Schweiße des Propheten, o Duft aller Düfte!“ ertönt die Stimme eines Rosenhändlers, und der Scharbetti oder Rosenwasserverkäufer verkündet: „Länge des Lebens, fliehender Tod; es reinigt das Blut!“ Dem Bierhaus gegenüber steht ein kleines, vielleicht achtjähriges Negermädchen, welches ein Körbchen an einer Schnur um den Hals hängen hat und zuweilen in verzagtem Ton ruft: „Feigen, Feigen, süßer als meine Augen!“
    Wer hat dieses arme Kind hierhergestellt und demselben diesen Ruf vorgeschrieben? Gewiß ein berechnender Geschäftsmann, denn die dunklen Augen der Kleinen mit dem traumverlorenen Blick sind allerdings süß. Es ist ein schönes Kind, wenngleich von schwarzer Farbe. Die ängstlich bittende Stimme und die flehend ausgestreckten Händchen müßten eigentlich jeden Vorübergehenden veranlassen, einige Para gegen Feigen umzutauschen. Ich konnte den Blick kaum von der Kleinen wenden. Ihre feine Stimme hatte einen so ängstlichen Ton, und das „Feigen, Feigen“ klang wie ein Hilferuf an mein Ohr. Ich nahm mir vor, ihr beim Fortgehen ein gutes Bakschisch zu geben. Ich hatte bemerkt, daß ich nicht der einzige war, welcher sich von dem Kind angezogen fühlte. Der Kellnerjunge war in der Zeit von einer Stunde dreimal zu ihr hinübergegangen, um sich eine Feige zu kaufen. War er ein Leckermaul oder tat er das aus kindlicher Sympathie? Wenn er sich ihr näherte, so leuchteten ihre Augen auf, und ihr Gesichtchen nahm dem Ausdruck hervorbrechender Liebe an. Dies geschah auch allemal, wenn sie hinüberblickte und ihr Auge dem seinigen begegnete.
    Jetzt eben hatte er nichts zu tun; er hockte, halb abgewendet von uns in einer Ecke und – ja wahrhaftig, er weinte; ich sah, daß er mit der äußeren Handfläche immer und immer wieder die hervorquellenden Tränen trocknete. Konnte der

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