Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Eben als er die Platte von sich schob, war auch ich mit meinem Bein fertig, dessen Knochen ich zu dem übrigen Skelett legte.
    „So, das wäre getan“, meinte er befriedigt, und in für mich tröstlicher Weise fügte er hinzu: „Heute gibt es mehr. Jetzt aber wollen wir wieder nach dem Bierhaus gehen. Wir haben da eine bessere Unterhaltung als hier in dem einsamen Haus.“
    Ich wäre lieber da geblieben, um einen längeren Blick in die Bücher des verstorbenen Majors zu tun. Als ich eines derselben in die Hand nahm, meinte Murad Nassyr:
    „Lassen Sie doch! Was können, da Sie Christ sind, diese Bücher Ihnen nützen; sie haben nicht einmal der Seele des Majors über die Brücke des Todes geholfen. Er soll auf dem Zug nach Sennar große Grausamkeiten begangen haben, welche später sein Gewissen beschwerten. Darum ist er in seinen letzten Jahren fromm geworden und hat sein Vermögen der Bruderschaft vermacht. Lassen Sie aber die unnützen Bücher hier, und kommen Sie mit mir. Eine Flasche Bira nimsawiji ist besser als alle Weisheit der Gelehrten.“
    Ich war gezwungen, mich vor dieser Philosophie zu beugen, und tat dies, der Pilsener Brauerei zuliebe, nicht ungern. Draußen stand Selim, der Haushofmeister. Er eilte uns voran, um die Tür zu öffnen.
    „Dieser Effendi ist mein Gast“, erklärte ihm sein Herr. „Er wird bei uns wohnen und den Geist vertreiben.“
    Selim öffnete den Mund, schob den Riesenturban in den Nacken und starrte mich wie abwesend an; dann schien er sich seiner Pflicht zu erinnern, riß die Tür auf, warf den Oberkörper in tieferer als waagerechte Stellung nieder und antwortete:
    „Richtig, sehr richtig! Aber wie will er das fertigbringen?“
    Er behielt seine Körperlage bei, indem er die Antwort erwartete.
    „Dadurch, daß er es klüger anfängt als du“, antwortete Nassyr.
    Da richtete sich der Dürre so rasch auf, als ob sein Leib durch Federkraft emporgeschnellt worden sei, und sagte im Ton beleidigter Würde:
    „Habe ich nicht abends und auch während der ganzen Nacht alle meine Waffen bei mir getragen?“
    „Ja, das hast du.“
    „Habe ich nicht unaufhörlich die heilige Fattha und auch die Sure des Kampfes gebetet?“
    „Ich will es glauben, daß du das getan hast.“
    „So habe ich alles getan, was ein gläubiger und frommer Moslem gegen diesen bösen Geist tun kann, und es darf mich kein Vorwurf treffen. Ich bin klug und tapfer. Man zählt mich zu den Helden meines Stammes, und ich habe bereits so viel Blut vergossen, wie Wasser sich im Nil befindet. Ich bin bereit, es mit allen Feinden des Weltalls aufzunehmen, aber soll ich etwa mit einem Geist kämpfen, durch dessen Leib die Kugeln gehen, ohne ihn zu verletzen, und dessen Gestalt weder mein Säbel noch mein Messer treffen kann, während es von ihm nur eines kleinen Willens bedarf, um mir das Gesicht in den Nacken zu drehen?“
    „Nein, das sollst du nicht, denn ein Gespenst kann man weder erschießen noch erstechen. Ich bin zufrieden mit dir.“
    „Richtig, sehr richtig!“ rief der Held seines Stammes, indem er zu seiner tiefsten Verbeugung zusammenknickte, um dann die Tür zu schließen.
    „Ein seltsamer Mensch, dieser Selim!“ meinte ich, indem wir weiter schritten. „Ist er schon lange bei Ihnen?“
    „Nein. Ich habe ihn erst hier gemietet.“
    „Was und wo war er vorher?“
    „Er war längere Zeit Führer nach den Pyramiden, ist aber dabei mit einem Engländer in Streit geraten und hat sich darüber so geärgert, daß er beschloß, sich auf andere Weise zu ernähren. Er versieht sein Amt bei mir mit großem Fleiß und ich habe nicht über ihn zu klagen.“
    „Soll er Sie nach Khartum begleiten?“
    „Ja; ich habe ihn zu dieser Reise gemietet, da er behauptet, die Gegend bis da hinauf genau zu kennen.“
    „So gratuliere ich Ihnen. Wenn er wirklich ein so großer Held ist, wie er sagt, so wird er sie gegen alle Angriffe und Fährlichkeiten beschirmen, und es ist ganz unnötig, daß Sie mich mitnehmen.“
    „Ja“, nickte der Türke, „er hat seine Tapferkeit und Unüberwindlichkeit während des ganzen Tages auf den Lippen. Sie werden ihn noch kennenlernen. Sein Mund läuft von Ehrerbietung über, und die Verbeugungen, welche er mir tagsüber macht, sind nicht zu zählen; aber an seinem Mut darf man nicht zweifeln, sonst kann er sogar grob werden. Ich bin auch überzeugt, daß es im gegebenen Fall bei ihm nicht bloß bei Worten bleibt.“
    „Hm! Leute, welche so gern von ihrer Tapferkeit sprechen, sind

Weitere Kostenlose Bücher