27 - Im Lande des Mahdi I
Deckung suchen können, so wären sie vor meinen Schüssen sicher gewesen und konnten versuchen, mich mit ihren Kugeln zu treffen; aber diese Deckung war glücklicherweise nicht mehr vorhanden, nicht mehr möglich.
Durch die vier Schüsse, das Stürzen der getroffenen Tiere und das Geschrei der unter die letzteren geratenen Reiter scheu gemacht, waren die vier noch unverletzten Kamele mit den beiden gefesselten Gefangenen durchgegangen; ich sah sie linksab hinaus in die Wüste rennen. Die Fremden hatten sich unter ihren Kamelen hervorgearbeitet, blickten ratlos zu mir herüber und dann den fliehenden Kamelen nach, sprachen einige Worte miteinander und ließen mich dabei durch ihre Gesten erraten, daß sie fliehen wollten. Da sprang ich auf, legte das Gewehr auf sie an und rief ihnen zu:
„Stehen bleiben, sonst schieße ich!“
Sie hatten zu ihrem Schaden erfahren, daß mit meinen Kugeln nicht zu spaßen sei, und folgten meiner Aufforderung.
„Werft die Flinten weg! Wer die seinige in der Hand behält, wird erschossen!“ fuhr ich fort.
Auch diesem Befehl wurde Gehorsam geleistet, und nun ging ich mit angeschlagenem Gewehr auf sie zu. Ich hätte sie laufenlassen können, aber ich war beschimpft worden, ohne sofort Vergeltung zu üben, und wollte nun Abbitte haben. Bei ihnen angekommen, legte ich das mir lästige Gewehr ab und nahm den Revolver in die Hand, um sie bezüglich ihrer Messer und Pistolen in Schach zu halten. Die Kerle machten Gesichter, als ob sie träumten; das finsterste war dasjenige des Anführers.
„Zweimal habt ihr mich verlacht“, sagte ich zu ihm, „wollt ihr es nun zum drittenmal tun?“
Keine Antwort.
„Siehst du nun ein, daß ich so gut wie hundert gegen euch war? Hundert Männer hätten es auch nicht besser machen können. Ich habe euch sogar gefangen, ohne euch zu verletzen, und ihr habt ganz und gar vergessen, euch zur Wehr zu setzen. Was meint ihr wohl, daß ich nun mit euch tue, ihr tapfern Reiter ohne Kamele?“
Keiner antwortete; sie blickten ingrimmig vor sich nieder. Darum fuhr ich fort:
„Seht diese kleine Waffe an! Es sind sechs Kugeln darin, also mehr als genug für euch. Ich werde euch die Freiheit geben, da ich solche armselige Menschen nicht zu fürchten brauche; vorher aber verlange ich unbedingten und augenblicklichen Gehorsam. Eure Waffen bleiben hier, damit ihr nicht andern schaden könnt. Ich werde sie euch abnehmen. Hebt die Hände über die Köpfe empor! Wo nicht, so schieße ich. Rasch!“
Drei folgten dieser Weisung sofort, der Anführer aber nicht; er fuhr mit der Hand nach dem Gürtel und rief:
„Beim Propheten, das ist zu viel! Du sollst nicht sagen, daß –“
Er kam nicht weiter, er hatte nach der Pistole gegriffen, dafür aber eine Kugel in die Hand bekommen.
„Hände auf!“ fuhr ich ihn drohend an.
Ich hörte das Knirschen seiner Zähne, aber er gehorchte doch. Mit der Rechten die Waffe schußbereit, leerte ich mit der Linken ihre Gürtel und warf die Pistolen und Messer hinter mich.
„So, das ist geschehen. Nun nur noch eins. Du hast mir die Verdammung gewünscht und mich einen Giaur genannt; ich verlange, daß du mich um Verzeihung bittest und ‚Samih'ni‘ (Vergib mir) sagst. Zögerst du, so ist meine Kugel schneller als dein Wort. Also –!“
Ich richtete den Lauf gegen seine Brust. Er schluckte und schluckte, das Wort wollte nicht heraus; aber endlich kam es doch, heiser und durch die geschlossenen Zähne gestoßen. Der Schweiß des unterdrückten, maßlosen Grimms stand ihm im ganzen Gesicht.
„Wir sind fertig, außer dem guten Rat, den ihr noch anhören mögt. Hütet euch in Zukunft, einen Europäer, zumal einen Christen, gering zu achten, denn er ist euch auf alle Fälle überlegen. Kommt ihr je mit ihm in Zwist, so rechnet weit mehr auf seine Güte als auf eure Macht und Tapferkeit. Ich habe mich in Freundlichkeit mit euch vergleichen wollen; ihr antwortet mit Hohn und habt nun die Folgen. Ich will nicht genauer nachforschen, wer und was ihr seid, doch tretet ihr mir zum zweitenmal feindlich entgegen, so kommt ihr nicht so leichten Kaufs davon wie jetzt. Nun könnt ihr gehen, wohin euch beliebt, aber schnell. Ich schieße eure Gewehre ab, und ihr könntet leicht durch eure eigenen Kugeln verwundet werden.“
Sie wandten sich schweigend um und entfernten sich eiligen Schrittes. Ich schoß hinter ihnen ihre Pistolen ab, um ein etwaiges Unglück beim Transport derselben zu vermeiden, und dann auch die Gewehre. Den Lauf der
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