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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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A'da (Das Ruhen der Glieder) nennt, also mit untergeschlagenen Beinen neben Ben Nil, welcher sehr fleißig auf ihn einsprach. Der junge Mann machte dabei ein so unternehmendes Gesicht, daß ich seine Absicht erriet. Er wollte Selim zum Sprechen bringen; dieser aber ließ sich nicht verleiten, gegen meine hinterlistige Verordnung zu handeln, und hielt mit großer ‚Tapferkeit‘ sein Schweigen fest.
    „Es ist ganz eigentümlich, Effendi, daß deine Entschlüsse stets den besten Erfolg haben“, meinte der Lieutenant. „Du weißt ja, daß ich oft anders dachte als du und auch gegen deine Ansichten gesprochen habe; aber ich sehe jetzt wieder ein, daß es immer geraten ist, dir zu folgen. Wir haben dadurch jetzt einen sehr guten Fang gemacht, und ich bin überzeugt, daß es uns auch gelingen wird, diesem Ibn Asl die gefangenen Frauen abzujagen.“
    „Damit wäre ich nicht zufrieden“, antwortete ich. „Ich will ihm nicht nur die Sklavinnen abnehmen, sondern auch ihn und seine Leute festnehmen, um sie dem Raïs Effendina zu überliefern.“
    „Das wäre ein Streich, ein großer Ersatz, durch welchen vielen von Hunderten von Schwarzen die Freiheit oder das Leben erhalten bliebe. Aber es wird Blut kosten!“
    „Wahrscheinlich; aber eine Wahrscheinlichkeit ist noch keine Gewißheit, keine Notwendigkeit. Man darf sich nicht immer nach den gegebenen Verhältnissen richten, sondern man muß suchen, dieselben zu beherrschen, sie zum eigenen Vorteil umzuändern.“
    „Ich möchte einmal sehen, wie das anzufangen ist. Die heutigen Verhältnisse sind doch so, daß Ibn Asl kommen und an dem Brunnen lagern wird; wir überfallen seine Krieger, kämpfen mit ihnen, töten so viel wie möglich von ihnen und nehmen die übrigen gefangen. Wie ist es möglich, dies anders zu machen und es gar so anzufangen, daß seine fünfzig Männer ohne Kampf- und Blutverlust überwältigt werden?“
    „Das weiß ich jetzt noch nicht. Ich halte das Leben eines Menschen für das höchste irdische Gut desselben, und darum soll man es schonen. Kann ich ohne Blut zum Zweck kommen, so tue ich es. Es ist möglich, daß wir mit List unser Ziel erreichen. Es ist ein stolzes Gefühl, einen Feind mit der Waffe in der Hand besiegt zu haben, und jede Wunde, jede Narbe bringt dem Mann Ehre; aber einen schlauen, übermächtigen, heimtückischen Feind überlistet zu haben, das ist auch nicht gering zu schätzen; ich weiß das aus eigener Erfahrung. Für jetzt freilich müssen wir an dem einfachsten Plan festhalten: Ich steige zum Felsen hinab, um zu lauschen, und ihr begebt euch rechts und links vom Brunnen auch hinunter, um im Dunkeln zu warten, bis ihr von mir das Zeichen des Angriffs erhaltet.“
    „Welches Zeichen?“
    „Hast du einmal einen Aasgeier im Schlaf oder Traum krächzen gehört?“
    „Ja.“
    „Ich werde diesen Laut nachahmen; er ist selbst in der Wüste so gewöhnlich, daß er Ibn Asl oder seinen Wächtern gar nicht auffallen kann.“
    „Aber wir können nicht alle hinab; wir müssen bei den Kamelen und Gefangenen einige Wachen zurücklassen.“
    „Natürlich! Zwei oder drei Leute werden genügen. Die Gefangenen behalten ihre Fesseln, bis auf den Scheik. Er ist unschuldig, hat uns nichts getan und hegt wohl auch keine bösen Absichten gegen uns. Wir wissen nicht, ob er und sein Stamm uns nicht noch dienlich sein kann, und so ist es geraten, milder als mit den beiden andern mit ihm zu verfahren.“
    „Da stimme ich dir bei. Was aber hast du in Beziehung auf den Mokkadem und den Muza'bir beschlossen?“
    „Die überbringen wir dem Raïs Effendina. Es hat sich herausgestellt, daß sie in Verbindung mit dem Sklavenjäger stehen.“
    „Du willst dich nicht an ihnen rächen? Sie haben dir doch nach dem Leben getrachtet!“
    „Darüber richte ich nicht; meine Religion verbietet mir die Rache.“
    Ben Nil hatte dies gehört und sagte:
    „Aber ich bin kein Christ, Effendi. Der Muza'bir war der Verbündete des heiligen Fakir, und auch der Mokkadem gehört zu ihnen. Man hat mich in den Brunnen gelockt, um mich zu verderben. Wärst du nicht gekommen, so hätte ich den elenden Tod des Verschmachtens sterben müssen; diese beiden Gefangenen gehören also nicht dem Raïs Effendina, sondern mir.“
    „Willst du sie töten – ermorden?“ fragte ich.
    „Nein“, antwortete der Jüngling in stolzem Ton. „Seit ich bei dir bin, ist dein Sinn der meinige geworden. Ich töte keinen wehrlosen Menschen, selbst wenn er mein ärgster Feind wäre; aber

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