27 - Im Lande des Mahdi I
stieß einen schrillen Pfiff aus; dann hob ich die beiden Revolver auf, welche ich weggeworfen hatte, um den Gegner zu fassen.
Das war alles weit schneller geschehen, als man es erzählen kann, und doch hatte ich dabei mein Auge auch mit auf den Scheik haben müssen. Dieser aber war noch zu keiner Bewegung gekommen. Er saß wie eine Statue da und starrte mich an. Das unendlich verblüffte Gesicht, welches er zeigte, hätte mich, wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, zum Lachen bringen können.
„Allah akbar, Gott ist groß!“ brachte er jetzt hervor, indem er langsam aufstand und mit dem Zeigefinger auf die beiden andern zeigte. „Wer bist du, und was haben dir diese Männer getan, daß du sie mit der Faust erschlägst, wie Kaled seine Hunde?“
„Wer ich bin?“ antwortete ich. „Ich habe es schon gesagt. Ich bin derjenige, von dem sie dir erzählten.“
„Der Gi – der – Christ?“
„Ja.“
„Udschubi Allah – Wunder Gottes! Wie kannst du es wagen, diese Männer in meiner Gegenwart zu –“
Er wollte nach seiner Flinte greifen; darum trat ich ihm schleunigst in den Weg und fiel ihm dann in die Rede:
„Ereifere dich nicht! Du kannst an dem, was geschehen ist und noch geschehen wird, nichts ändern.“
„O doch! Gib mir mein Gewehr!“
„Das bleibt einstweilen in meiner Verwahrung.“
„So habe ich hier – –“
Er griff mit beiden Händen nach dem Gürtel unter seinem Übergewand. Da legte ich die meinigen um seinen Leib, hielt ihm die Arme fest und rief Ben Nil, welcher jetzt mit acht Asakern gelaufen kam, zu:
„Bindet zunächst diesen Scheik der Monassir; aber tut ihm nicht weh, denn er wird sehr bald aus einem Feind ein Freund für uns werden!“
Er wollte sich sträuben, doch ohne Erfolg; er wurde entwaffnet und so gebunden, daß er die Arme gar nicht und die Füße nur in kleinen Schritten bewegen konnte. Desto tätiger war seine Zunge. Er rief alle möglichen Rachearten vom Himmel und Allah auf uns herab. Wir ließen ihn aber ganz getrost schimpfen.
Während der Mokkadem und der Muza'bir auch, und zwar viel fester und sorgfältiger gefesselt wurden, rief vom Rand des Wadi eine Stimme herab:
„Haut sie nieder; schlagt sie tot! Jagt ihnen alle Kugeln durch die Köpfe und stoßt ihnen die Messer in die Leiber! Seid ihr fertig? Ist es gelungen?“
Selim war natürlich dieser Schreier.
„Schweig!“ antwortete Ben Nil. „Warum stehst du da oben? Es läßt dich doch nur die Angst nicht herab!“
Aus diesen Worten entnahm der Schleuderer der Knochen, daß keine Gefahr mehr vorhanden war. Er kam mit beiden Beinen zugleich herabgesprungen und schrie, als er die beiden Gefangenen erblickte:
„Sieg, Triumph, Ruhm und Ehre! Die Schlacht ist geschlagen und der Feind überwunden.“
„Schweig Prahler!“ antwortete Ben Nil. „Dich wird kein Mensch preisen, denn du bist nur beim Essen der erste, wo es Mut gilt, aber stets der letzte, und beim Kampf habe ich dich noch nie gesehen. Hier, nimm diesen Scheik und führe ihn hinauf an das Lager!“
„Den Scheik? Das fällt mir nicht ein. Ich nehme den Muza'bir, der mich in dem Brunnen verschmachten lassen wollte. Meine Rache wird entsetzlich sein.“
„Du wagst dich an ihn, weil er gebunden ist. Ich habe nichts dagegen.“
Der Muza'bir war wieder zu sich gekommen, ebenso der Mokkadem. Sie sollten nach dem Lager geschafft werden, und damit wir sie nicht tragen mußten, wurden ihnen die Fußfesseln so lockergelassen, daß sie gehen konnten. Selim richtete beide auf, nahm dann den ersteren beim Arm und sagte:
„Vorwärts, Halunke! Du bist in meine gewaltige Macht gegeben, und ich werde dich so stolz vernichten, wie der Elefant einen Wurm zertritt!“
Der Muza'bir konnte nicht die Arme, sondern nur die Füße bewegen, dennoch sprang er auf ihn ein, riß ihn zu Boden und setzte ihm, da sein Grimm kein anderes Werkzeug besaß, die Zähne an die Gurgel. Er biß wie ein wütender Hund, konnte aber glücklicherweise nur die Haut verletzen. Selim streckte, ohne sich zu wehren, Arme und Beine aus, so erschrocken und feig war er, und schrie und blökte geradezu wie ein Kalb, welches geschlachtet werden soll. Ich nahm den Muza'bir beim Genick, riß ihn auf und gab ihm einige Ohrfeigen, von denen ihm die Nase blutete. Das war vielleicht unanständig, für diesen frechen und brutalen Patron aber ganz geeignet. Selim stand auf, griff an seinen Hals und jammerte:
„Er hat mich erbissen; er lag auf mir wie ein Tiger. Effendi,
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