27 - Im Lande des Mahdi I
du bist der berühmteste aller Ärzte des Weltalls und des Firmaments; untersuche mich einmal, ob ich sterben muß!“
Es war ihm nur die Haut geschürft worden, dennoch machte ich ein bedenkliches Gesicht und erklärte:
„Die Luftröhre, die Leber und die Milz sind zwar unverletzt, aber die Zähne eines wütenden Menschen sind giftig; darum ist höchstwahrscheinlich eine Simm ed Damm (Blutvergiftung) zu befürchten.“
„Eine Simm ed Damm? Von dieser Krankheit habe ich noch nie gehört. Allah sei mir gnädig! Wie verläuft sie, Effendi?“
„Die Wunde schwillt an, und die Anschwellung läuft bis zum Herzen; der Magen wird weiß, die Lunge grün, und das Gesicht schwarz mit gelben Strichen; die Beine und Arme fallen ab, und der Körper löst sich los, so daß endlich nur der Kopf übrigbleibt, der aber schon nach einigen Wochen auch zu Grunde geht.“
„O Mohammed, o ihr heiligen Kalifen! Das ist die Simm ed Damm! Ich bin verloren; dieser Muza'bir hat mich ermordet! Gibt es kein Mittel gegen dieses entsetzliche Übel?“
„Es gibt eins; es ist sehr einfach, aber ich glaube nicht, daß ich es bei dir anwenden kann.“
„Sage mir nur, was ich tun soll, mein lieber, lieber, mein guter und verehrungswürdigster Effendi! Ich werde alles tun, alles, und wenn es noch so schwer sein sollte.“
„Gut, ich will versuchen, dich zu retten; aber du mußt gehorchen.“
„Ich gehorche wie der niedrigste der Sklaven. Gib mir nur schnell deine Befehle!“
„Zunächst muß ich dich mit meinem Ruh el Umo (Geist des Lebens) einreiben, und von diesem Augenblick an darfst du nur durch die Nase atmen; du darfst also den Mund nicht öffnen, also vor allen Dingen nicht sprechen.“
„Allah! Das ist sehr schlimm! Wie lange dauert das?“
„Bis die Gefahr vorüber ist; ich werde es dir sagen.“
„Aber ich muß doch essen und trinken, und Allah weiß es, daß man das nicht durch die Nase tun kann!“
„Beim Essen und Trinken ist es gestattet, den Bissen oder den Schluck in den Mund zu nehmen, aber ja nicht dabei atmen oder gar sprechen!“
„Ich werde es tun, Effendi, ja, ich werde es tun. Ich will lieber einige Zeit lang schweigen als an dieser fürchterlichen Simm ed Damm zu Grunde gehen. Welch ein schauderhaftes Ende, die Arme, die Beine und den Körper zu verlieren und dann noch wochenlang nur mit dem Kopf zu leben. Nein, das könnte ich nicht aushalten! Ich schwöre dir bei allen Bärten der Kalifen, daß ich kein Wort sprechen werde.“
„Gut, ich will es einmal mit dir versuchen. Du bist ein willensstarker Mann und wirst meiner Kunst und Wissenschaft wohl keine Schande machen.“
„Richtig, sehr richtig! Du wirst deine Freude an mir haben, nur wünsche ich, daß ich auch meine Freude an deinen Vorschriften erlebe. Allah ist groß; er gibt Leben und Tod; aber wenn er dem wahren Gläubigen gestattet, den Tod durch die Kunst des Schweigens zu überwinden, so sehe ich nicht ein, warum ich dieser schauderhaften Simm ed Damm zuliebe sprechen und sterben soll!“
Die drei Gefangenen und deren Kamele wurden hinauf in unser Versteck gebracht. Wir mußten das Wasserloch wieder schließen, und ich sorgte dafür, daß von dem Geschehenen keine Spuren zurückblieben. Dann mußte ich den Lieutenant und den alten Onbaschi für den heutigen Abend instruieren.
Es war vorauszusehen, daß ich die Karawane belauschen werde; darum müßten die beiden Abteilungen, welche wir bei dem Überfall zu bilden hatten, von den beiden Genannten angeführt werden. Ich zeigte ihnen also, nachdem ich Selims Hals mit Salmiakgeist eingerieben hatte, die Stellen, an denen sie ihre Abteilungen hinab in das Wadi zu führen hatten; das darauf folgende mußte sich aus den Umständen ergeben. Ich selbst stieg noch einige Male die Felsenstufen auf und ab, um mit der Örtlichkeit so vertraut zu werden, daß in der Dunkelheit kein Fehltritt zu erwarten war, und kehrte nachher befriedigt nach dem Lager zurück, befriedigt ganz besonders deshalb, weil zwei meiner ärgsten Feinde, von denen der eine, Abd el Barak, der eigentliche Anstifter aller gegen mich unternommenen Angriffe war, in unsere Hände gefallen waren.
Was aber mit ihnen tun? Das fragte ich mich selbst, und das fragte mich auch der Lieutenant, als ich bei ihm und dem Onbaschi Platz genommen hatte. Die Gefangenen lagen, um unser Gespräch nicht hören zu können, unter der Obhut zweier Wächter, genügend von uns entfernt. Selim kauerte in derjenigen Haltung, welche der Araber Rahat el
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