27 - Im Lande des Mahdi I
plauderte er mit mir, als ob es gar keinen Kapitän hier gäbe. Und wie kam dieser Moslem dazu, sich mit der Sklavenfrage beschäftigen zu wollen? Ich hatte nur Scherz getrieben und meine letzten Worte auch nicht im Ernst gemeint; er aber ging sofort auf dieselben ein, indem er ausrief:
„Wer sagt dir denn, daß wir nicht darüber sprechen werden? Du willst nach Siut, und ich muß auch dorthin.“
„Ja, das ist etwas anderes!“ meinte ich.
„Wir werden zusammen fahren. Du bleibst nicht auf dieser Dahabiëh.“
„Ich will auch nicht, aber der Raïs weigert sich, mir mein Geld herauszugeben. Ich habe nämlich schon bis Siut bezahlt.“
„Du hast es zurückverlangt? Weshalb? Hast du einen Grund gehabt, dieses Schiff zu verlassen?“
„Hm! Die Rücksicht auf mich verbietet mir, davon zu sprechen!“
„Warum?“
„Weil ich sonst gezwungen sein würde, hier in Gizeh lange zu bleiben, und dazu habe ich keine Zeit.“
„Aber die Rücksicht auf mich gebietet dir, es mir mitzuteilen. Ich habe dich vor dieser Dahabiëh gewarnt, ohne noch zu wissen, daß du schon entschlossen warst, von Bord zu gehen. Ich bin so unhöflich gewesen, dich auszufragen, ohne dir zu sagen, wer und was ich bin. Das muß ich jetzt nachholen. Oder hast du es vielleicht schon selbst erraten?“
Er sah mich von der Seite so gutmütig pfiffig an, daß ich fühlte, ich müsse ihn rasch liebhaben können. Er war kein bigotter Moslem; er besaß Lebhaftigkeit, Energie und Wohlwollen, wie ich beobachtet hatte. Das war kein träger, stumpfsinniger Orientale, der sein Nichts für etwas hält und nichts von etwas wissen will. Ich wünschte wohl, die Reise mit ihm machen zu können.
„Du bist ein Offizier“, antwortete ich.
„Hm!“ brummte er lächelnd. „Nicht eigentlich, und doch hast du nicht übel geraten. Mein Name ist Achmed Abd el Insaf.“ Das heißt: Achmed, Diener der Gerechtigkeit. Hatte er diesen Namen stets getragen oder ihn infolge seines jetzigen Berufes erhalten? Ich nannte ihm den meinigen, und darauf erklärte er mir:
„Ich bin nämlich auch Raïs, und du sollst zu mir auf mein Schiff kommen.“
Ich konnte nicht anders, ich mußte ihn ungläubig anblicken. Dieser Mann, der Kapitän einer Dahabiëh, welche Sennesblätter und Gummi vom oberen Nil holt? Nein!
„Du bezweifelst es?“ fragte er. „So will ich dir sagen, daß ich den Titel Raïs Effendina führe und der einzige bin, dem es gestattet ist, denselben zu tragen.“
„Der Kapitän des Vizekönigs? Das muß eine ganz besondere Bewandtnis haben!“
„Allerdings. Und diese Bewandtnis hängt sehr eng mit dem Buch, welches ich schreiben will, zusammen. Ich will es dir erklären. Ich liebe die Deutschen, und du gefällst mir ganz besonders. Der Sklavenhandel ist verboten, wird aber noch immer betrieben. Du hast gar keine Ahnung, wie viel Menschen jährlich an demselben zu Grund gehen!“
„Ob ich es weiß, das sollst du sogleich erfahren. Sprechen wir nur von Ägypten, wo doch der Sklavenhandel aufgehoben ist. Vom oberen Nil werden jährlich 40.000 Sklaven über das rote Meer geführt. Davon gehen 16.000 in andere Gegenden, 24.000 aber nach Ägypten. Dazu kommen 46.000, welche auf dem Nil und auf Landwegen nach Nubien und Ägypten geführt werden. Diese Land erhält also über 4 Hafenplätze und auf 14 Landrouten jährlich 70.000 Sklaven. Nun muß man rechnen, daß auf einen verkauften Sklaven vier andere kommen, welche während der Sklavenjagd getötet werden oder während des Transportes umkommen. Das ergibt den fürchterlichen Schluß, daß die Sudanländer allein für Ägypten jährlich 350.000 Menschen einbüßen. Soll ich weiter sprechen, nicht bloß von Ägypten allein?“
Er sah mich mit weit geöffneten Augen an und antwortete nicht.
„Soll ich dir sagen, daß die Harems von Konstantinopel von zehn- bis vierzehnjährigen tscherkessischen Sklavinnen wimmeln, für welche man pro Stück zwanzig Taler zahlt, während sie noch vor kurzem achtmal teurer waren? Wieviel Neger und Negerinnen wird es da erst geben? Und dabei versichern uns die Gesandtschaften der hohen Pforte, daß der Sklavenhandel nicht mehr existiere!“
„Effendi, du weißt es, du weißt es sogar noch viel, viel besser und genauer als ich!“ gestand er. „Ihr Deutschen wißt wirklich alles!“
„Nun, wenigstens wissen wir, daß es noch viel zu niedrig gegriffen ist, wenn man annimmt, daß in den Sudanländern jährlich über eine Million Menschen an den Sklavenjagden zu Grunde
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