27 - Im Lande des Mahdi I
gehen. Solche Zahlen mußt du in deinem Buch bringen!“
„Ich bringe sie; bei Allah, ich bringe sie! Vergiß diese Ziffern nicht, denn du sollst sie mir bei Gelegenheit diktieren. Aber ich habe mich vorhin selbst unterbrochen, als ich sagte, daß der Sklavenhandel noch fortbestehe. Es kommen viele Schiffe mit Sklaven den Nil herab. Wir haben Polizeischiffe, welche aufpassen sollen; aber die Kapitäne sind nicht ehrlich; die Hunde machen mit den Sklavenjägern gemeinschaftliche Sache. Nun muß es also einen gerechten und ehrlichen Mann geben, der da Achtung gibt, und der bin ich. Abd el Insaf, Diener der Gerechtigkeit, heiße ich, verstanden? Und Raïs Effendina bin ich, der Kapitän unseres Herrn, des Khedive. Ich bin es noch nicht lange; aber alle Schurken kennen mich bereits, weil ich keinen durchlasse, keinen einzigen, und wenn er mir noch so viel Geld bietet. Mein Schiff heißt Esch Schahin; es ist so schnell wie ein Falke und stößt auch wie ein Falke. Es fliegt wirklich wie ein Falke, und keine Dahabiëh, kein Sandal, kein Noqer kann ihm entgehen. Willst du es sehen?“
„Ich bin sogar sehr begierig darauf.“
„Es liegt gar nicht weit von hier am Ufer. Ich mußte heute in Gizeh anlegen, weil ich mit dem Mudir zu sprechen hatte. Als es Abend war, suchte ich das Ufer ab, weil solche Gänge oft zu einem guten Fang führen. Und ich habe ihn gemacht, diesen Fang.“
„Wo?“
„Hier, diese Dahabiëh.“
„Ist's möglich? Sie ist doch heute erst in Bulak ausgelaufen!“
„Ja, Sklaven hat sie nicht an Bord; aber ich bin schon seit langer Zeit hinter ihr und ihrem Raïs her. Ihr inneres ist zur Aufnahme von Sklaven eingerichtet. Ich habe es gesehen.“
„Du warst ja noch nicht unten im Raum!“
„Das nicht. Aber warum erschrak der Raïs so, als ich kam? Warum verschwand der Steuermann sofort durch die Luke? Doch nur, um unten irgend etwas zu verändern oder zu verbergen. Du wirst bald sehen, daß ich mich nicht irre. Aber das Pech wird alle. Der Raïs soll die Schüsseln wieder füllen, und wenn er sich nicht beeilt, gibst du ihm die Peitsche.“
Dieser Befehl war an seinen zweiten Begleiter gerichtet, welcher sich entfernte, um ihn auszuführen.
Welch ein Zusammentreffen! Mein neuer Bekannter war also, so zu sagen, Marineoffizier; er jagte Sklavenjäger. Das versprach etwas; ja, das versprach sogar viel, sehr viel!
Der alte Raïs brachte Pech geschleppt; er wagte nicht aufzublicken. Als er wieder fort war, knüpfte der Raïs Effendina die unterbrochene Unterhaltung wieder an:
„Nun weißt du, wer ich bin und welchen Beruf ich habe. Meinst du noch immer, daß es geraten ist, mir zu verschweigen, warum du diese Dahabiëh verlassen willst?“
„Nun vielleicht erst recht. Ich würde hier festgehalten werden und muß doch nach Siut, um dort meinen Freund zu erwarten.“
„So verspreche ich dir hiermit, daß deine Reise keine Verzögerung erleiden wird. Ich gehe nach dem oberen Nil, nach Khartum und noch weiter hinauf, und lege in Siut an. Übermorgen segle ich ab, und da kommst du zu mir an Bord, natürlich als mein Gast, denn zahlende Passagiere gibt es bei mir nicht. Willst du?“
Als ich nur einige Augenblicke mit der Zusage zögerte, hielt er mir die Hand hin und rief:
„Schlag ein; ich bitte dich! Nicht ich tue dir einen Gefallen, sondern du sollst ihn mir tun.“
„Dann gut; hier meine Hand. Ich fahre mit dir nach Siut.“
„Wie gern würde ich dich weiter mitnehmen; aber wenn du jemanden erwartest, so mußt du dein Wort halten. Und nun erzähle, was hier geschehen ist!“
„Das reicht nicht aus; ich muß noch mehr erzählen, auch das, was vorher geschehen ist. Und du wirst keine Zeit haben, mich anzuhören.“
„Ich habe genug Zeit, denn ich muß warten, bis die Matrosen kommen. Ich möchte wissen, warum dieser Kerl alle seine Leute von Bord geschickt hat!“
„Nur meinetwegen.“
„So? Wirklich? Das macht mich doppelt neugierig. Also, zum Beginn! Du brauchst dich nicht zu genieren. Mein Nachbar hier ist mein Steuermann, und der Mann da mit der Peitsche mein Liebling, meine rechte Hand, welche alles tut, was ich befehle. Schon mancher Sklavenhändler und Sklavenbesitzer hat es auf seinem Rücken gefühlt, daß diese meine Hand schnell, willig und stark genug ist, meinen Wahlspruch auszuführen: Wehe dem, der weh tut!“
Nun konnte ich nicht anders; ich mußte erzählen, und ich begann meinen Bericht von dem Augenblick an, in welchem der Türke mich in das Kaffeehaus
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