27 - Im Lande des Mahdi I
Zeit?“
„Ja.“
„Ich bitte Euch, einen Augenblick an Bord zu kommen!“
Ich gab dem Landungsbrett einen Schwung, daß es drüben aufzuliegen kam, fühlte mich aber hinten gepackt und zurückgezogen. Der Raïs war es. Er raunte mir, als ob es am Ufer nicht gehört werden solle, in unterdrücktem Ton zu:
„Was fällt dir ein! Wer hat hier Leute einzuladen, du oder ich?“
„Wir beide.“
„Nein, nur ich. Und gerade diesen Menschen, den ich an der der Stimme erkenne – – –“
Er hielt inne und wagte nicht, weiterzusprechen, denn das Brett hatte feste Lage erhalten und die drei kamen nun eben an Bord. Als der Steuermann sie erblickte, sah ich, daß er schleunigst in einer Luke verschwand; der famose Kajütendiener folgte ihm ebenso schnell. Dem Raïs wäre es vielleicht auch lieber gewesen, wenn er sich in der Ferne befunden hätte; jedenfalls kamen ihm diese Leute höchst ungelegen; aber er konnte weder verschwinden noch sie fortweisen, und so blieb er stehen, legte beide Hände auf der Brust übereinander, berührte mit der rechten Stirn, Mund und Herz und verneigte sich fast so tief, wie ich es von dem Haushofmeister meines Türken gesehen hatte. Aus dieser Begrüßung war mit Sicherheit zu schließen, daß die drei Ankömmlinge, wenigstens der vorderste von ihnen, keine gewöhnlichen Leute waren.
Dieser war ein Mann in den besten Jahren, kräftig gebaut und, soviel ich sehen konnte, fein gekleidet. Er trug weite, weiße Hosen mit dunklen Halbstiefeln und eine goldverbrämte blaue Jacke, um die Hüften einen rotseidenen Shawl, an welchem ein krummer Säbel hing, während die mit Gold und Elfenbein ausgelegten Griffe zweier Pistolen vorn hervorblickten. Darüber hing ein weißseidener Mantel. Der Turban auf seinem Haupt war von demselben Stoff und derselben Farbe. Sein Gesicht, dessen dunkle Augen mit forschendem Wohlwollen auf mir ruhten, wurde von einem schwarzen Vollbart eingerahmt, wie ich gleich schön noch selten einen gesehen hatte. Ohne auf den Raïs einen Blick zu werfen, grüßte er mich:
„Allah schenke dir einen glücklichen Abend!“
„Heil sei dir!“ antworte ich ebenso kurz wie höflich.
Seine Begleiter verneigten sich stumm gegen mich, was mich veranlaßte, ihnen eine ebensolche Verbeugung zu machen. Jetzt wandte er sich zu dem Raïs und fragte in strengem Ton:
„Du kennst mich?“
„Das Glück, dein Angesicht zu sehen, ist mir wiederholt zuteil geworden“, antwortete der Gefragte in orientalischer Weise.
„Es ist kein Glück für dich gewesen. Waren nicht noch zwei Männer hier?“
„Mein Steuermann und der Fremdendiener.“
„Weiter niemand?“
„Nein, Sijadetak; meine Matrosen sind nach dem Kaffehaus gegangen.“
„Nun, warum sind die beiden verschwunden? Wo sind sie hin? Etwa hinunter in den Raum zu den Ratten?“
Der Raïs wagte nicht, zu antworten; er ließ den Kopf sinken.
„Also doch! Ich weiß gar wohl, was sie wollen. Rufe sie sofort, wenn du nicht die Karbatsche haben willst!“
Er deutete bei diesen Worten auf den einen seiner Begleiter, an dessen Gürtel eine sehr verheißungsvolle Peitsche hing. Der Mann verstand es, gebietend aufzutreten. Der Raïs hatte ihn Sijadetak genannt, ein Wort, welches ‚Deine Herrlichkeit‘ bedeutet und in dieser Form nur Respektpersonen gegenüber angewendet wird. Der Alte eilte zur Luke und rief hinab. Nach einiger Zeit erschienen die Verschwundenen und ließen sich in gedrückter Haltung und wohl ebenso gedrückter Stimmung am Mast nieder. Unterdessen hatte der Fremde mir gewinkt, ihm zu folgen. Er stieg hinauf zum Steuer, wo ein Teppich lag, winkte gegen denselben und sagte:
„Setze dich zu mir, denn mir ahnt, daß wir eine Beratung halten werden müssen! Und nimm eine europäische Zigarre von mir an!“
Ich mußte mich an seine rechte Seite setzen, während sein erster Begleiter an seiner Linken Platz nahm. Derselbe war ähnlich, nur aus einfacherem Stoff gekleidet und trug auch einen Degen. Der Träger der Peitsche blieb seitwärts stehen. Auf einen Wink des Herrn zog er ein Etui aus dem Gürtel und reichte es ihm, nachdem er es geöffnet hatte. Der Gebieter zog zwei Zigarren heraus und reichte mir eine, um die andere für sich zu behalten. Der erste Begleiter bekam keine, und der zweite mußte Feuer geben. Ich kann sagen, daß es ungefähr eine Hundertmarkzigarre, also das Stück zu zehn Pfennigen war. Wie viel aber mochte dieser Ägypter dafür bezahlt haben! Da er mein Gesicht beobachtete, so gab ich
Weitere Kostenlose Bücher