2721 – Der Paradieb
obendrein ein pietätloser Mörder!
Gucky bog um die Ecke und sah an der nächsten Kreuzung das junge Mutantenpärchen, das ins Labor gekommen war. Die zwei konnte er nun wirklich nicht brauchen.
»Aus dem Weg!«, rief er schon von Weitem. »Marsch in die Quergänge mit euch, wenn euch euer Leben lieb ist, und keine Fragen! Bahn frei!«
Die blonde Frau erschrak, reagierte dann aber richtig und wich in den linken Gang zurück. Der Junge jedoch blieb stehen und glotzte Gucky an wie vom Donner gerührt.
Was hatte er vor? Gewohnheitsmäßig tastete Gucky in Muaz' Gedanken.
Allerdings verfügte er nicht mehr über die vertraute Form der Telepathie, sondern über Severin Focks Variante davon. Deshalb las er nichts, sondern sah Bilder.
Grauenvolle Bilder.
*
Je näher der Mausbiber kam, desto mehr verzerrte sich sein Gesicht. Die Schnauze wurde länger, desgleichen der Zahn, zu dem sich weitere gesellten, einer spitzer als der andere. Dass die Bestie Muaz beißen, zerfleischen und fressen wollte, stand außer Frage.
Mit einem Rest von Vernunft wunderte er sich, wieso Shadin den albtraumhaften Visionen nicht Einhalt gebieten konnte und wieso diese überhaupt schon so früh wieder auftraten. Es lag wohl an Gucky – besser gesagt an dem mordlüsternen Monster, in das der Mausbiber sich verwandelt hatte.
Muaz versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, dass er unter Wahrnehmungsstörungen litt und sich nur einbildete, aus den Wänden wüchsen giftige Stacheln und von der Decke tropfe glühendes Magma. Er hatte keine Chance. Die Spukgestalten waren zu furchterregend.
Kreischende Phantome drangen auf ihn ein, Fratzen wie Kreissägeblätter, Tentakel wie Peitschen, die sich um seinen Hals legten und ihm die Luft abschnürten. Längst wusste er nicht mehr, wo oben und unten war.
Die Konfusion verstärkte den Horror noch. Wie ein Strudel oder ein singuläres Schwarzes Loch zog der Wahnsinn ihn hinab.
Fingerlange, metallisch glänzende Hornissen summten durch den Gang. Zu Hunderten attackierten sie Muaz Riocourt, der blindlings um sich schlug, mit den Armen wie auch telekinetisch.
*
Unsichtbare Schläge trafen Gucky, was seine Desorientierung noch verschlimmerte.
Wohin er blickte, sah er drei Bilder übereinander, jedes aus einer anderen Position. Sein Gehirn hatte noch nicht gelernt, die zusätzlichen, telepathisch gewonnenen, optischen Eindrücke zu verarbeiten, ja nicht einmal, sie willentlich auszublenden.
Dominant, weil am intensivsten, war das grellbunte Albtraumszenario.
Ähnlich verhielt es sich mit den Emotionen, die sich immer mehr aufschaukelten. Blanke Panik überschwemmte Gucky und riss ihn mit.
Weitere Angreifer kamen hinzu, angeführt von einem Racheengel mit schneeweißen Flügeln und grotesk birnenförmigem Schädel. Aus den Augen schossen Blitze. Aus dem weit aufgerissenen Schlund stiegen schillernde Blasen empor; in jeder davon saß ein winziges Skelett.
Hinter dem Engel schwebten zwei stählerne Ungeheuer. Die flammenhaarige Hexe, die in einer Wandnische lauerte, feuerte sie an. Bald würden sie Tod und Verderben spucken, wenn Gucky nichts dagegen unternahm ...
Ein Hieb fegte ihn von den Beinen. Er schlitterte einige Meter über den Boden, der sich wölbte, jählings ausdehnte und sich wieder zusammenzog wie ein verrückt gewordener Hindernisparcours.
Dann ging alles irrwitzig schnell. Guckys vorgestreckte Hände trafen auf einen Widerstand. Im selben Moment bekam er einen heftigen elektrischen Schlag und schrie auf; aber jemand anders schrie noch viel lauter.
Neue Energie durchpulste Gucky. Die drei Feinde waren schon ganz nahe. Um sich ihrer zu erwehren, setzte er alle Kräfte frei.
*
Gelähmt vor Entsetzen, verfolgte Shadin Riocourt das Geschehen.
Einzugreifen vermochte sie nicht, weder physisch noch auf parapsychischer Ebene. Der fatalen Kopplung aus Guckys und Muaz' negativen Ausstrahlungen war ihre eigene Psi-Gabe nicht gewachsen.
Sowohl ihr Bruder als auch der Mausbiber hatten die Kontrolle verloren und torkelten ziellos durch den Gang. Fuchtelnd und animalische Laute ausstoßend, kämpften sie gegen Bedrohungen, die nur sie sehen konnten.
Aus Richtung des Labors kam Professor Bouring gelaufen, gefolgt von zwei Kampfrobotern. Die Abstrahlmündungen der Waffenarme glommen rötlich.
»Nicht schießen!«, rief Shadin. »Oder doch, ja, aber nur mit Paralysatoren!«
Bouring öffnete den Mund, kam jedoch nicht mehr dazu, einen Befehl zu erteilen. Etwas wie ein
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