2721 – Der Paradieb
lautloser Sturm tobte durch den Gang und fällte in rascher Folge Muaz und Gucky, die zusammenstießen, sowie gleich darauf den Professor, der hochgehoben und gegen die Wand geschmettert wurde.
Telekinese!, durchfuhr es Shadin. »Muaz, hör auf, um aller Himmel willen!«
Sie bekam eine Gänsehaut. Bisher hatte er nie während eines Anfalls von seinem Psi-Talent Gebrauch gemacht.
Ihr Appell fruchtete nicht. Seltsame Geräusche ertönten aus Richtung der TARAS. Teile lockerten sich und fielen ab. Rauchwolken stiegen auf. Ein Schuss löste sich, fauchte quer durch den Gang und verursachte ein schwelendes Loch in der Decke.
Beißender Gestank breitete sich aus. Die Roboter zerfielen; einzelne Teile wurden von einer unsichtbaren Riesenfaust zerquetscht.
»Hör endlich auf, Muaz!«, flehte Shadin mit sich überschlagender Stimme ihren Bruder an. »Halt ein, komm zu dir ...«
Er gab keine Antwort, zeigte nicht die geringste Reaktion, überhaupt keine Regung. Muaz lag nur da, in unnatürlich verdrehter Haltung, leblos.
Seine gebrochenen Augen sahen nirgendwohin.
7.
In der Unterwelt
2. September 1514 NGZ
Subterrania war mindestens ebenso groß wie die Megastadt an der Oberfläche. Bis zu fünf und mehr Kilometer tief reichten die Untergeschosse hinab.
Vielerlei Wesen tummelten sich darin; beispielsweise Angehörige von Völkern, auf deren Ursprungsplaneten Umweltbedingungen herrschten, die sie zu einem Leben unter Tage zwangen. Sie zogen auch auf Terra immer gleiches Kunstlicht vor, ohne einen anderen Tag-Nacht-Rhythmus als jenen, den die Zeitmessung vorgab.
Ähnliches galt für ehemalige Besatzungsmitglieder von Fernraumschiffen.
Nicht wenige Veteranen, die jahrzehntelang keinen Planetenboden betreten hatten, verbrachten ihren Lebensabend lieber in gewohntem Ambiente; weit unter Null-Niveau, wo der Wohnraum am billigsten war. Daher gab es in Terrania City eine Vielzahl ausgedehnter subplanetarer Siedlungen, deren Architektur jener der Mannschaftsquartiere, Messen und hydroponischen Gärten von terranischen oder arkonidischen Kugelraumern nachempfunden worden war.
Und es gab ... das Schattenland.
Irgendwann hatte jemand die auf der 44. Subebene, also noch relativ weit oben gelegenen, ehemaligen Lagerhallen erworben und zu einer Vergnügungsstätte umgestaltet. Anfangs waren Festivals verschiedener Kunstrichtungen veranstaltet worden. Aber allmählich hatte sich der neogotische Stil, der gerade seinen ungefähr sechshundertsechsundsechzigsten Aufguss erlebte, durchgesetzt.
Seither trugen die überwiegend jugendlichen Besucher schwarze Kleidung, schwarze Haare, schwarze Lidschatten und totenbleiche Schminke. Mikroholografische Tattoos sowie alle Arten von Masken erfreuten sich ebenfalls ungebrochener Beliebtheit.
Ausgesucht depressive Musik waberte durch die Hallen, ebenso allgegenwärtig wie die hüfthohen Nebelschwaden. Morbide Kunstwerke bedeckten die Wände.
Trotz der täglich stattfindenden Konzerte und Performances der jeweils in dieser Szene populärsten Künstlergruppen hätte die Lokalität wohl unweigerlich nach einiger Zeit Reiz und damit Zuspruch eingebüßt, wären die Betreiber nicht auf die Königsidee verfallen, ein Gerücht in die Welt zu setzen: Im Schattenland, so ging die Mär, verkehrten nicht nur Möchtegernvampire und Pseudozombies, sondern auch Personen, die zur echten Unterwelt Terranias zählten.
Bandenmitglieder. Gesuchte Kriminelle. Ausgestoßene der Gesellschaft, aus welchen Gründen auch immer. Halb irre Mutanten, die sich dem Zugriff der Behörden entzogen hatten.
Und nicht zuletzt: Agenten der diversen Geheimdienste, die von mehr oder weniger obskuren galaktischen Machtgruppen auf die Erde entsandt worden waren.
Letztere hatten sich vermutlich rarer gemacht, seit der Verwaltungssitz der LFT auf den Planeten Maharani im Yogul-System des Plejaden-Sektors umgezogen war. Terra, die Wiege der Menschheit, gänzlich aus den Augen zu lassen, konnte sich gleichwohl weiterhin keine Spionageagentur leisten, die etwas auf sich hielt.
Kurz: Im Schattenland begegnete man möglicherweise sehr gefährlichen Leuten.
Für diesen Nervenkitzel berappten nach wie vor jeden Tag Tausende den schamlos überhöhten Eintrittspreis.
*
Sneptonk Overmaart klappte an der Zugangsschleuse seinen Spitzkragen hoch, wodurch der integrierte Chip die Identifikationsdaten übermittelte, legte die Fingerkuppe auf den Scanner und ließ sich anschließend geduldig filzen.
Die anachronistischen
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