2724 – Zeitzeuge der Zukunft
hinauf. Auf dem Weg zum Gipfel fühle ich mich gut, sehe, wie der Roman täglich wächst, wie das Exposé Kapitel um Kapitel an Leben gewinnt. Alles scheint leicht und einfach – es fließt. Was mir dabei hilft, sind meine Vorarbeiten, die inzwischen recht umfangreich sind.
Mein Kollege Michael Marcus Thurner hat vor Kurzem für seine Homepage eine Umfrage gestartet, wie viel Vorarbeiten SF-Autoren machen. Ich gehöre zu den Schreibern, die sehr viel planen. Das war nicht immer so, sondern hat sich im Lauf der Zeit entwickelt, weil ich gemerkt habe, dass meine Texte durch schriftliche Organisation an Qualität gewinnen.
Wenn ich vorab schon weiß, wer meine Figuren sind, wie die Orte aussehen, an denen sie sich bewegen, was in den einzelnen Szenen vor sich geht und worauf das Ganze hinausläuft, dann habe ich mehr Ressourcen, den Roman rund zu gestalten und ihn zu einer Einheit zu verschmelzen.
Um im Bild der Gebirgswanderung zu bleiben: Meine Vorarbeiten sind der gut gepackte Rucksack, in dem nicht nur genug Essen und Trinken sowie eine autorenfreundliche sich selbst erklärende Landkarte verstaut sind, sondern inzwischen auch Luxusartikel wie Pralinen und Handventilator. So macht das Wandern mehr Spaß.
Auch bei einem strukturierten Arbeitsprozess kommt es zu unvorhergesehenen Abweichungen der Route.
Der Pionier Barul zum Beispiel sollte laut Exposé nur einmal auftreten, und beim Anlegen der Figur Mesira da Kaertas wusste ich noch nicht, dass sie – allein durch ihre Niedertracht – das Potenzial hat, den Helden indirekt zu helfen. Auf solche Wendungen stoße ich eher, wenn die Vorarbeiten stimmen, und das genieße ich.
Aber es gibt auch Abgründe, die kalten Täler mit fieser Steigung und verstellter Aussicht. Zwischendurch kommen Zweifel. Gelingt es mir, dem Leser das nahezubringen, was mir am Herzen liegt? Wird er die Figuren mögen, bereit sein, ein Stück mit ihnen zu gehen und sich auf das Setting einlassen?
Ein ganz schlimmer Moment ist für mich der direkt nach der Abgabe. Mit dem Mausklick fällt mir sofort etwas ein, was ich hätte besser oder anders machen können. Dann schreibe ich es mir auf und achte beim nächsten Roman speziell auf diesen Punkt.
An NEO 55 hat mir besonders gut gefallen, dass ich einen Planeten gestalten konnte. Einerseits sollte es nicht so viel Detailfülle werden, dass der Leser überhäuft wird, andererseits genug, dass ein lebendiger Schauplatz entsteht, der durch einfache Präzision im Gedächtnis bleibt.
Die Grundidee zum Planeten war das Thema Stürme. Wie entwickelt sich eine Tier- und Pflanzenwelt, wenn starke Winde vorherrschen? Wie sichert sie ihr Überleben? Und wie gestaltet sich der Alltag der Bewohner dieser Welt? Gibt es vielleicht eine Tierart, die besonders wichtig und zentral für die Intelligenzwesen ist, weil sie zuverlässiger als jede Technik Stürme vorhersagt?
Ich wollte eine faszinierende Kulisse schaffen, in der die Romanhandlung spielt, und die zum Hauptcharakter der Geschichte passt, einem Arkoniden, der den Stürmen trotzt und wie die Pflanzenwelt Thersunts seine eigene Strategie hat, damit umzugehen.
Neu an den Arbeiten zu NEO 55 war, dass ich viel draußen gearbeitet habe. Die Technik macht es ja schon seit Längerem möglich, und da es in der realen Welt lediglich einen größeren Sturm im Raum Frankfurt gegeben hat, stand dem nichts im Weg. So habe ich einen Teil des Schreibens in die Gartenecke vor dem Haus verlegt und zwei bis drei Mal den Plastiktisch kurzerhand in den Pool gestellt, um trotz des heißen Sommers einen kühlen Kopf zu bewahren.
Allgemein kann ich verraten, dass die Zusammenarbeit mit dem Verlag und Frank Borsch hervorragend ist. Frank Borsch legt auch nach sechs NEO-Bänden von mir den Finger auf die richtigen Stellen, um den Roman noch besser zu machen und mein Schreiben weiterzuentwickeln. Außerdem hat er mir in NEO 55 trotz umfangreichem Exposé viel Freiraum gelassen, meine Ideen umzusetzen, egal ob das nun der ein wenig aus der Art geschlagene Naat oder die Berichte des jungen Protagonisten waren, in denen der Held noch ein anderer Mensch ist.
Inzwischen fühle ich mich im NEOversum voll und ganz zu Hause, obwohl ich bei der Menge an Romanen durchaus Details vergesse.
Für mich ist NEO immer wieder großartig, und ich freue mich sehr, dass die Serie so viele begeisterte Leser gefunden hat. Ich hoffe auf jede Menge weitere Geschichten und Planeten im NEOversum.
»Oh, diese
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