2727 – Am Gravo-Abgrund
ihm auf. »Was macht eigentlich der Lunare Widerstand, Ryotar?« Die Frage enthielt einen Stachel. Immerhin befanden sie sich in unmittelbarer Nähe des Abschnitts, in dem ein Attentäter des Widerstands Schaden angerichtet hatte.
»Nichts Neues, aber was geht dich das an?« Hannacoy spürte, wie sein Emot sich kräuselte. Er war über die Frage ebenso verärgert wie verblüfft.
Äußerlich blieb Khelay ungerührt. »Nichts Neues vom Widerstand, das kann Gutes oder Schlechtes bedeuten.«
»Und warum interessiert dich das Thema so brennend?«
Langsam wandte Khelay den Kopf. Der Ausdruck seiner Augen war unangenehm intensiv. »Ich darf dich daran erinnern, dass ich Shekval Gennerycs Stellvertreter bin und damit momentaner Anführer des Militärs auf Luna. Gerade mich sollte dieses Thema angehen, denn ich bin mitverantwortlich, dass sich ein solches Szenario nicht wiederholt.«
Hannacoy dachte über Khelays Argumentation nach. »Du hast recht. Ein solcher Vorfall darf sich nicht wiederholen. Ich werde mit dem Lunaren Residenten reden. Vielleicht kann er an seine Tochter und diese Widerständler appellieren, sich zu stellen. Falls nicht, kann er die Bevölkerung um Mithilfe bitten.«
Das Emot Khelays flackerte auf. »Eine hervorragende Idee. Ich möchte an diesem Gespräch teilnehmen.« Es klang unangenehm hart.
Hannacoy zögerte. Es gab keinen Grund, Khelay dieses Anliegen übel zu nehmen oder es zu verbieten. »Warum nicht?«
*
Hannacoy vereinbarte ein sofortiges Treffen mit Antonin Sipiera. Es fand im Flip statt, wie die Lunarer den Sitz der Lunaren Administration, das Clark-G.-Flipper-Building, nannten. Inzwischen unterstand das Flip wie alles auf Luna Hannacoy und den seinen. Trotzdem ließen die Onryonen Antonin Sipiera dort residieren.
Sie wollten sich in der inneren Kugel treffen, die in einer Öffnung der äußeren rotierte. Um dorthin zu gelangen, mussten Khelay und Hannacoy einem gut zehn Meter durchmessenden Antigravschacht folgen, der die kleine Kugel mit der äußeren Schale verband. Der Schacht war rundum durchsichtig, was Hannacoy an diesem Tag ungewohnt zusetzte. Vielleicht lag es an den Beben und den Gravophänomenen. Er wünschte sich festen Boden unter den Füßen.
Hannacoy beneidete Khelay. Der Jüngere war zumindest nach außen hin die Ruhe selbst, seitdem sich Luna auf der Reise befand.
Im Dienstraum stand Antonin Sipiera vor seiner Arbeitskonsole. Der hochgewachsene, hagere Mensch mit der bleichen Haut und den weißen Haaren wirkte aufgeregt. Es bedurfte keines Emots, um das zu erkennen.
Sipiera ging Hannacoy entgegen, kaum dass er eingetreten war.
»Ryotar Hannacoy, was hat das zu bedeuten? Ich verlange sofortige Aufklärung über die Vorgänge in der Technokruste und über die Gravitationskatastrophen!«
Hannacoy riss sich zusammen, um nicht vor dem wütenden Mann zurückzuweichen. Noch nie hatte Sipiera ihn derart scharf angegriffen.
»Setz dich bitte.«
»Ich will mich nicht setzen! Ich will Antworten!«
»Also gut.« Hannacoy blieb ebenfalls stehen. Sipiera überragte ihn um eine gute Kopflänge. Sich noch kleiner zu machen, kam nicht infrage. »Die Technokruste ist ein Transpositornetz, das ähnlich einem Transmitter arbeitet. Wir sind in einer Friedensmission aufgebrochen und unterwegs auf dem Weg ins Helitas-System.«
Antonin Sipiera schwankte. »Ein Transmitter?«
»Es war notwendig. Der Mond wird sich als Garant für den galaxisweiten Frieden erweisen. Die entstandenen Schäden bedauere ich sehr.«
»Es sind Kollateralschäden«, warf Khelay ein. »Sie werden bald völlig unter Kontrolle sein. Sei beruhigt. Dank des Repulsorwalls besteht für die Lunare Bevölkerung keine ernsthafte Gefahr.«
»Beruhigt soll ich sein?« Antonin Sipiera schien vor den Augen Hannacoys zu wachsen, so wütend richtete er sich auf. »Mit der unabgesprochenen Versetzung werden alle Absprachen und Vereinbarungen zwischen uns hinfällig! Das ist eine Kriegserklärung!«
Die unerwartet heftigen Worte verunsicherten Hannacoy. Bisher hatte Sipiera kooperiert. Er überlegte, wie er reagieren sollte, da schaltete sich Khelay ein.
»Sipiera, wir verstehen deine Bedenken. Deshalb laden wir dich nach Iacalla ein. In unserer Stadt werden dir sämtliche Hintergründe offengelegt werden. Du wirst unser gleichberechtigter Bündnispartner sein. Die Zeit der Geheimnisse ist vorbei. Danach kannst du selbst entscheiden, wie du es beurteilst ... aber bitte: erst danach! Solltest du dann weiterhin
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