273 - Die Wandlung
schloss die Augen. Ihr Gesichtsausdruck erstarrte.
»Was ist?«, fragte Bahafaa besorgt. Zugleich versuchte sie ihre Sorge nicht übermächtig werden zu lassen, damit sich das Gefühl nicht zu stark auf Ludmeela übertrug.
»Kora hat etwas gesehen, das ihr Angst macht.«
»Vermutlich den Sturm«, mutmaßte Bahafaa.
Die Gerfalkin kehrte zurück und landete auf Ludmeelas Stumpf. Sie reckte den Kopf und sah ihre Herrin aus dunklen Augen an. Bahafaa wünschte sich ungeduldig, sie könne sehen, welche Gedankenbilder die beiden austauschten.
»Es ist nicht der Sturm.« Ludmeelas Lider verengten sich sorgenvoll. »Es kommt etwas auf die Insel zu. Zwei fremde Tiere, groß genug, um zu einer Gefahr zu werden. Vermutlich Flugandronen vom Festland. Leider war das Bild verschwommen, aber ich glaube, sie tragen Menschen.«
Bahafaa schluckte nervös. Die Inseln waren immer wieder von den Nordmännern angegriffen worden. Leid, Blut und Tränen hatten diese Angriffe und Besatzungen gebracht, die aus freien Menschen Sklaven machten. Waren die beiden fremden Tiere nur die Vorhut einer weiteren Invasionstruppe? »Wir müssen Königin Lusaana und die anderen warnen.«
Ludmeela nickte und pfiff den Daakil zu sich. »Lass uns zum Dorf zurückkehren.« Sie warf den weißen Falken erneut in die Luft und lief voraus. Bahafaa folgte ihr so schnell sie konnte. Sie hatte Mühe, ihre Angst zu beherrschen.
***
»Festhalten!« Matthew Drax klammerte sich am Sattelknauf seiner Androne fest und presste die Beine eng an den vibrierenden Körper. Das hohe Sirren der Andronenflügel wurde noch heller, als das Tier verzweifelt versuchte, sich in einer Windböe zu halten.
»Merdu!«, fluchte Aruula hinter ihm.
Matts Gesichtsausdruck war grimmig, als er die schwarze Wolkenfront vor ihnen betrachtete, die nichts Gutes verhieß. Es roch nach Regen. Sie hatten die Küste des Festlands weit hinter sich gelassen; für eine Umkehr war es zu spät. Zwar waren die Andronen aus Saadina erstklassige Tiere, doch so ausdauernd, die Strecke gleich doppelt zu fliegen, waren sie nicht. Und wenn ihre Flügel nass wurden, wäre auch ihre Flugtauglichkeit gefährdet.
»Da hat aber ein Gott verdammt schlechte Laune!«, brüllte Tumaara gegen den aufkommenden Sturmwind an. »Ich hoffe, das ist kein schlechtes Omen für meine Ankunft!«
Die Kriegerin saß allein auf ihrer Flugandrone, vor dem Gepäck, das links und rechts in Satteltaschen verteilt war. Ihr Begleiter Manoloo war in Monacco ums Leben gekommen, und sie hatte seine Androne übernommen.
»Orguudoo, wird das kalt!«, sagte Aruula zitternd.
Matt stimmte ihr zu. Unter den schwarzen Wolken schien Polarluft zu strömen, die eine eisige Kälte verbreitete. Vor sich erkannte er immer mehr Einzelheiten: eine undurchdringliche Front aus Regen, Schnee und Hagelkörnern. Die Aussicht, darin einzutauchen, war alles andere als verlockend.
»Wir müssen landen!«, schrie Tumaara, die ihre Androne kaum mehr unter Kontrolle halten konnte. Das Tier wich instinktiv vor der Gefahr zurück.
Matt wies auf die Inseln, die in erreichbarer Nähe vor ihnen lagen. Bleich leuchteten die Klippen in der Schwärze. Es waren nur wenige hundert Meter, die sie überbrücken mussten. »Wir schaffen es! Aruula, welche Insel ist es?«
»Die mittlere! Die wie eine Speerspitze aussieht!«
Matt nickte und packte das Zaumzeug fester. Hoffentlich versagte die kombinierte Tracheen-Lungenatmung der Andronen in der kalten Luft nicht. Ganz zu schweigen von den Hagelkörnern, die die Flughäute wie Geschosse durchschlagen konnten.
»Das ist Wahnsinn«, hörte er Tumaara rufen.
Sie hatten keine andere Wahl und richteten die Andronen gegen den Wind aus. Das Unwetter zog ihnen frontal entgegen. Durch die schwarze Front hindurch sahen sie den rettenden Strand, der in fast greifbarer Nähe schimmerte.
»Schneller!«, drängte Aruula.
Sie tauchten ein in die drohende Wand. Es fühlte sich an, als würde eine unsichtbare Faust sie packen und herumwirbeln. Die Riesenameise gab gepeinigte Zirptöne von sich. Regen und Hagel schlugen auf ihre Flügelpaare. Sie flatterte wild und bäumte sich auf. Ihre Atmung klang gequält.
Neben ihnen verblassten die Umrisse von Tumaara und ihrem Flugtier in der Finsternis. Man konnte kaum mehr die Hand vor Augen sehen. Der Regen schlug ungehindert auf ihre Körper und ihre Gesichter. Innerhalb weniger Sekunden waren sie so nass, als seien sie in das Binnenmeer unter ihnen gesprungen.
»Nur noch ein kurzes
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