277 - Xij
Die Kugel war unten offen. Mitten im Korb fauchte ein offenes Feuer. Unglaublich! In dem Korb stand ein kurios gekleidetes, spitzbärtiges Männlein mit einer schwarzen Lederkappe. Es hantierte an einem Metallgestänge herum. Seinen Bewegungen zufolge war es gehbehindert. Es schenkte ihr und Xij erst einen Blick, als sie dicht vor dem Korb standen.
»Gegrüßet seist du, Maria«, sagte der Mann, wobei er die Rs so rollte wie ein Eingeborener. Dass er keiner war, bewiesen seine leicht geschlitzten Augen. Aus der Nähe wirkte er älter.
»Bin ich Kapitän Pofski«, sagte er und deutete auf sein Bäuchlein. »Reisä ich um die Welt, bittaschön, um selbige zu vermässen!« Axya verstand zwar seine Worte, wusste aber nicht, was er meinte. Es war nicht zu überhören, dass für Kapitän Pofski das auf dieser Insel gesprochene Anglische nicht seine Muttersprache war.
»Freut mich, Euch kennenzulernen, Syre.« Axya deutete eine Verbeugung an, denn als Tochter des Hauptmanns wusste sie, was sich gehörte. Dieser Mann war ein Gast ihres Vaters. »Ich bin Axya, Duncayn von Loxlees Tochter. Ich hoffe, Sie haben alles, was Sie brauchen.«
»Nu«, erwiderte Kapitän Pofski mit einem feinen Lächeln. »Was braucht ein Mensch schon, wenn er seinen Geist hat überantwortet der Wissenschaft?« Sein Blick fiel auf Xij, und Axya glaubte zu erkennen, dass er sich in letzter Sekunde ein anerkennendes Pfeifen verbiss.
»Xij Hamlet.« Xij imitierte die Verbeugung, die Axya ihr vorgemacht hatte. »Sie kommen aus der Sowjetunion? Ich wusste nicht, dass die noch existiert.«
Axya reckte überrascht den Hals.
Kapitän Pofski schaute auf. Seine klugen Äuglein schätzten Xij ein. Dann sagte er, wobei seine Aussprache diesmal fast vollkommen war: »Sie meinen die Buchstaben auf der Ballonhülle, nicht wahr, junger Mann?« Ein Schmunzeln glättete seine faltigen Züge. »Offen gesagt war meine Heimat, als ich sie verließ, schon fünf Jahrhunderte weit davon entfernt, irgendetwas zu sein, dass man als sowjetisch und als Union bezeichnen konnte.« Er schaute sich um. »Das war vor vier Jahren, die ich als sehr spannend empfunden habe - nicht zuletzt auch deswegen, weil ich, um des puren Überlebens willen, in dieser Zeit vier Sprachen lernen musste.«
»Vier Sprachen?« Xij wirkte beeindruckt. »Das ist nicht wenig, Kapitän.«
Pofski lächelte. »Ich hatte gute Lehrer.« Er klopfte mit einer Hand auf den Korbrand. »Ich bin sehr oft mit Passagieren geflogen.«
»Aha.« Xij richtete den Blick erneut auf die beschriftete Kugel. »Woraus besteht der Ballon? Kunstseide?«
»Ich weiß nicht, wie man den Stoff nennt, aber ich habe ihn weiland, bevor ich aus Tscherskij in die Welt aufbrach, im Gewölbe eines so genannten Textilkombinats gefunden - luftdicht verpackt. Und mit ihm noch zwei andere, die meine Reisen leider schon verschlissen haben.« Er deutete zum blauen Himmel hinauf, unter dem gerade ein Schwarm schwarz gefiederter Znypitoiden entlang zog. »Denn leider«, seufzte er, »sind Ballons und Vogelkrallen so etwas wie natürliche Feinde.«
Xij nickte verständnisvoll. »Und was, wenn man fragen darf, ist Ihr nächstes Ziel, Kapitän?«
»Glasgowistan.«
»Urgh«, machte Axya. »Das Reich des Bärtigen Propheten?« Sie zupfte an Xijs Ärmel. »Komm, wir müssen weiter, mein Vater erwartet mich.« Sie nickte Kapitän Pofski zu. »Bis später, Syre!«
»Falls wir uns nicht mehr sehen«, sagte Pofski, »wünsche ich Ihnen alles Gute für die Zukunft. Ich bin nur hier gelandet, um Frischwasser aufzunehmen und meinen verstauchten Fuß auszukurieren.« Er deutete auf sein Bein. »Inzwischen fühlt er sich wieder an wie neu und die Wasserschläuche sind voll. Ich werde wohl morgen wieder aufbrechen.«
Axya und Xij winkten Pofski zu und setzten ihren Weg fort.
Nun sah man, dass das Dach der Tschörtsch aus Reet bestand. Das Eingangsportal war aus verkratztem Eisen und so hoch, dass ein Mann, auf dessen Schultern ein zweiter stand, es durchschreiten konnte, ohne in die Knie gehen zu müssen.
In dem Tor befand sich eine normale Tür. Auch sie war aus Eisen. Davor stand Dopee.
»Heil der erfolgreichen Jägerin.« Er verneigte sich.
»Hast du nicht Wache?«, sagte Axya spitz.
»Stimmt«, erwiderte der Schnauzbärtige. »Aber wie ich von Digg und Arry gehört habe, ist Toom von uns gegangen.« Er seufzte. »Deswegen bin ich nun die rechte Hand deines Vaters - und der oberste Wächter der Tschörtsch.«
Axya winkte ab und deutete auf
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