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277 - Xij

277 - Xij

Titel: 277 - Xij Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Pilze, auf die zu treten man sich hüten sollte, da sie sonst explodierten, Halluzinationen auslösten und manchen Menschen in den Irrsinn treiben konnten.
    Nach einem Tag konsequenten Marschierens begann der Urwald sich zu lichten: Der schattige Tann wich einer sonnigen Lichtung, in deren Mitte ein aus klotzigen Steinen errichtetes Gebäude stand - die Tschörtsch. Es war gut und gern zwanzig Meter hoch: eine viele Jahrhunderte alte, gut erhaltene Kirche mit Turm.
    Solche Bauwerke fand man nur noch in den Ruinenstädten des Südens. Die meisten waren zerfallen. Die Natur hatte sie im Laufe der Jahrhunderte zurückerobert. Hin und wieder aber stieß man auch auf solche, in denen Anhänger einer obskuren Religion hausten. Die Kristianer galten als leicht beschränkt, da sie die groteske Vorstellung vertraten, man müsse einem Feind, der ihnen den Unterkiefer brach, auch noch das Nasenbein hinhalten - damit er erkannte, wie barbarisch er war. Die Jünger des Bärtigen Propheten hatten dafür, wie alle anderen Barbaren, nur Hohn und Spott übrig.
    Duncayn von Loxlees Anhänger waren jedoch aus anderem Holz geschnitzt: Wer ihnen vorschreiben wollte, mit welcher Hand sie essen durften und welche Kopfbedeckungen sie zu tragen hatten, war gut beraten, wenn er eine eiserne Rüstung trug. Dort, wo Duncayn herrschte, bestimmte nur einer: Duncayn.
    Axyas Vater scheute keine Konfrontation. Dass er nichts dem Zufall überließ, zeigte sich, als um sie herum plötzlich vier bezopfte und behelmte Loxlees auftauchten und spitze Lanzen auf ihren nackten Hals richteten.
    Digg und Arry blieben schnaubend stehen. Xij streckte abwehrend die Arme aus.
    »Parole?«
    »Parole?« Axya machte große Augen. »Was soll der Quatsch, Dopee? Du kennst uns doch!«
    »Anweisung von oben«, knurrte Dopee. Er war rothaarig, sommersprossig und trug, wie seine finster dreinblickenden Gefährten, einen Lederhelm mit Widderhörnern. Sein Blick huschte von einem zum anderen. »In den Wäldern gehen Gerüchte um…« Er musterte Xij argwöhnisch. »Dämonische Kreaturen, die ihr Äußeres verändern können, sind zur Erde gekommen, um uns zu versklaven.« Er kniff die Augen ein Stück zusammen. »Vielleicht gehört ihr zu ihnen… Wer sagt mir, dass ihr nicht zu ihnen gehört, hä? Vielleicht habt ihr nur die Gestalt unserer Freunde angenommen, um in unser Lager einzudringen und uns zu…«
    »… fressen?« Axya kicherte.
    Die Vorstellung, sich nach Wunsch äußerlich verändern zu können, war interessant. Sie hätte gern das Aussehen der von allen normal gebauten Frauen verfluchten Glooria angenommen, schon wegen ihres Busens. »Hör zu, Dopee«, sagte sie. »Ich kann beweisen, wer ich bin! Mag ja sein, dass irgendwelche Dämonen mich äußerlich nachahmen können, aber was in meinem Kopf ist, weiß nur ich.« Sie lachte. »Du vielleicht auch.«
    »Ach«, sagte Dopee. Er wirkte nun sehr zögerlich.
    »Wirklich?«, fragten seine Begleiter wie aus einem Munde.
    Axya beugte sich vor und flüsterte Dopee etwas ins Ohr. Es betraf sein schmähliches Versagen angesichts der Bereitwilligkeit einer gewissen Luula, ihm ihre Jungfräulichkeit zu schenken. Luula war Axyas Base und die beiden waren sehr vertraut miteinander.
    Dopee errötete. »Sie ist es wirklich«, sagte er zu den anderen. »Miz Axya von Loxlee, die Tochter unseres Hauptmanns!« Er winkte seinen Leuten. »Lasst sie durch.«
    »Vielen Dank, Syre.« Axya verbeugte sich und schritt voran.
    Digg und Arry, leicht angesäuert, da sie von der Schlepperei wirklich genug hatten, zweigten ab und trugen die Beute zu der überdachten Freiluftküche. Dort wurden sie schon von einigen Frauen erwartet, die ihnen erfreut zuwinkten.
    Grüße in einem an Donnergrollen erinnernden Skothen-Dialekt flogen hin und her. Axya begrüßte alle Menschen, die sie auf der Lichtung sah. Dort standen auch einige Zelte, meist unter Schatten spendenden Bäumen.
    Axya stockte der Atem: Neben der Tschörtsch stand ein großer geflochtener Korb, eineinhalb Meter hoch und genauso breit. Über ihm - ihr stockte der Atem - schwebte eine rote, mindestens zehn Meter durchmessende und sich nach unten verjüngende Kugel. Ein goldener Hammer und eine ebensolche Sichel zierten sie. Unter den Werkzeugen stand »CCCP«, was Axya aber nichts sagte, da sie nicht lesen konnte. Die im lauen Wind leicht hin und her schwingende Kugel erweckte den Eindruck, sie wolle davonfliegen. Offenbar wurde sie nur von dem sie einhüllenden Netz daran gehindert.

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