277 - Xij
bewandert als in der Kunst des Brandschatzens.« Er räusperte sich. »Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich das Meiste, was er mir erzählt hat, wieder vergessen habe.«
»Es funktioniert so«, sagte Xij. »Man erwärmt ein großes Luftvolumen. Dadurch reduziert sich sein spezifisches Gewicht. Der Gewichtsverlust des erwärmten Luftvolumens entspricht dem Gesamtgewicht des Ballons. So nennt man die Kugeln übrigens.«
»Ach«, sagte Axya. »Wirklich?« Ihr Blick wanderte von Xij zu ihrem Vater.
»Klingt doch logisch.« Duncayn von Loxlee nickte. Er schaute Xij an. »Du kennst merkwürdige Worte, Bürschlein.« Seine Stirn runzelte sich. »Woher weißt du von diesen Dingen? Normalerweise wissen doch nur Wissenschaftler und«, er hüstelte, »Männer wie ich davon.«
»Ich bin viel rumgekommen.« Xij wirkte irgendwie erheitert. »Da schnappt man einiges auf.«
Axya konnte nicht übersehen, dass Duncayns Blick von Argwohn geprägt war. Wenn nicht gar von Misstrauen. Ihr Vater war ein Räuber, so wie ihr Großvater und Urgroßvater. Menschen, die Worte wie »Luftvolumen« und »spezifisches Gewicht« kannten, entstammten in der Regel jenen besserwisserischen Kreisen, die in Elfenbeintürmen wohnten und sich als etwas Besseres dünkten: dem Klassenfeind.
Duncayn seufzte. »Er misst, wie er sagt, den Umfang der Welt.« Seine Stirn runzelte sich. »Außerdem behauptet er, sie ist gar keine Scheibe, sondern rund .«
»Stimmt«, sagte Xij.
Duncayns Stirngerunzel nahm nicht ab. »Woher…?«
»Ich bin viel rumgekommen«, sagte Xij.
»Da schnappt man einiges auf«, warf Axya schnell ein.
Obwohl ihr Vater eine Seele von Mensch war, konnte er eins nicht leiden: Wenn man ihm vor Zeugen widersprach und er den Eindruck hatte, man bezichtige ihn der Unwissenheit. Dass die Erde eine Scheibe war, wusste von einigen Spinnern abgesehen alle Welt. Wenn ein dahergelaufenes mageres Kerlchen sich für eine Ansicht stark machte, die nur Spinner teilten, und dabei den Eindruck erweckte, der Vertreter der Wahrheit sei ein Idiot, konnte er ganz schön fuchtig wurden.
Axya sah ihrem Erzeuger an, dass er nahe daran war, Xij an das nächste Taratzenrudel auszuliefern, deswegen warf sie sich in die Bresche und sagte schnell: »Xij ist mutig und stark, Vater, und gäbe es ihn nicht, würde ich jetzt bei den Würmern liegen. Leider ist er unter den Barbaren des Kontinents aufgewachsen und glaubt Dinge, über die unsereiner nur lachen kann.« Sie räusperte sich. »Ich denke aber, dass ich ihm in ein paar Tagen beibringen kann, was wir glauben und ablehnen. Vielleicht kann ich ja sogar irgendwann einen passablen Räuber aus ihm machen.«
»Dein Wort in Kukumotz' Ohr.« Duncayn von Loxlees zweifelnder Blick tastete Xij ab. Die eigenartige Kleidung des Jungen schien sein besonderes Interesse zu finden: Man konnte nicht genau erkennen, woraus sie bestand. Obwohl sie an Leder erinnerte, war sie ganz und gar geruchlos und wirkte, je nach Lichteinfall, wasserdicht. Beinkleid und Oberteil wiesen zahlreichen Taschen auf. Was sie enthielten, ließ kein Umriss erahnen.
Dass Duncayns finstere Miene Xij nicht einschüchterte, sondern eher erheiterte, gefiel Axya: Das sonnige Lächeln, das der attraktive Kerl ihrem Vater schenkte, konnte zudem nur gewinnen. Dass seine Zunge violett war, war ihr bisher nicht aufgefallen, doch als sie es nun sah, erschreckte es sie nicht: In einer Welt, in der auf ein Dutzend normaler Menschen dreizehn Mutationen kamen, waren solche Schattierungen kaum mehr als ein Spritzer Exotik, der ein Lebewesen interessant machte.
Axya jedenfalls fühlte sich von der Zunge so entzückt, dass sie es kaum erwarten konnte, sie näher kennenzulernen. »Deswegen, liebster Vater«, fuhr sie übertrieben freundlich fort, um Duncayn jede Chance zu nehmen, wütend zu reagieren, »bitte ich dich, diesem ahnungslosen Fremden sein loses Mundwerk zu verzeihen… Nicht zuletzt auch aus privaten Gründen.«
Ihre letzte Bemerkung ließ Xij die Stirn runzeln.
Axya fragte sich, ob sie vielleicht zu weit gegangen war. Andererseits konnte ihr Vater ihre Worte aber auch als Geste der Dankbarkeit einem Menschen gegenüber verstehen, die ihr Leben gerettet hatte.
»Nun gut.« Duncayn schaute sinnierend zu Boden. »Da unserer wackerer Toom nun bei den Ahnen ist, muss jemand seinen Posten übernehmen.« Er maß Xij mit einem eingehenden Blick. »Ich hoffe, du provozierst seinen Nachfolger nicht, denn Dopee Skullsplitter hat nicht den zehnten
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