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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dichtes Gebüsch, bis zu dessen Spitzen sich scharfes Dornwerk rankte. Aller Erwartung zufolge mußten sie da vorüberkommen; ich kroch also hinein.
    Es dauerte nicht lange, so kamen sie, sahen erst in ein benachbartes Gesträuch und wendeten sich dann nach meinem Versteck.
    „Es ist vergebens“, sagte einer von ihnen. „Hier hüben sind sie nicht. Kehren wir wieder um!“
    „Nur noch einige Schritte, bis dort zu der Ecke, an welcher der Subakh steht!“ lautete die Antwort.
    O weh! Auf jenem Subakh hatte ich soeben gesessen, und hinter dieser Ecke befand sich unser Lagerplatz! Jetzt waren sie nur noch fünf Schritt von meinem Buschwerk entfernt. Ich griff in die schwachen Stämmchen, bewegte sie, als ob ein Tier sich da, wo ich mich befand, vom Boden erhebe, und versuchte, jenes knurrende Pfauchen nachzuahmen, welches ein in seiner Ruhe gestörtes Raubtier hören läßt. Dann rollte ich mit der Zunge in möglichst tiefem Ton, röchelte dazu durch die Nase und stieß darauf einen kurzen, heiseren Schrei aus, bei welchem der Wüstenbewohner, wenn er ihn hört, in den Stoßseufzer ausbricht:
    „Der Löwe ist erwacht. Allah beschirme uns vor dem Würger der Herden!“
    Ich hatte auf einsamen Ritten aus Langeweile oft versucht, das Gebrüll des Löwen nachzuahmen. Es richtig wiederzugeben, dazu sind die menschlichen Stimmwerkzeuge unfähig, aber eine Ähnlichkeit läßt sich doch erreichen. Das war auch jetzt der Fall. Die drei Takaleh prallten, als sie mich hörten, ganz entsetzt zurück.
    „Ein Löwe, ein Löwe!“ schrie einer von ihnen. „O Allah, o Beschützer, o Erhalter des Lebens, bewahre uns vor –“
    Die Fortsetzung dieser Worte konnte ich nicht hören, weil der Kerl, während er in dieser Weise zeterte, so schnell davonrannte, daß er bei dem letzten Wort schon nicht mehr zu sehen war. Und seine beiden Gefährten, welche noch flinkere Beine besaßen, waren ihm sogar schon weit voran. Da hörte ich hinter unserer Ecke Ben Nils lachende Stimme:
    „Effendi, die kommen nicht wieder! Was bringst du doch alles fertig! Jetzt hast du dich sogar in einen Löwen verwandelt! Das zornige Knurren und Fauchen war vortrefflich. Es klang ganz genauso, als ob ein Löwe aus dem Schlaf gestört worden sei. Aber dann das Brüllen war weniger gut. Man hörte, daß es aus keinem Löwenrachen kam.“
    „Weil du wußtest, wer dieser Löwe war!“
    „Jawohl. Den Takaleh aber ist es ganz naturgetreu erschienen. Sie werden sich nun hüten, den Subakh und unsere Ecke zu untersuchen. Als du fortgingst und dort in das Loch krochst, dachte ich, daß uns dies gerade verraten könnte. Ich wußte ja nicht, daß du den ‚Herrn mit dem dicken Kopf‘ spielen wolltest. Nun aber bin ich froh, daß du es getan hast. Wie bist du denn auf diesen Gedanken gekommen, Effendi?“
    „So, wie in einem in der richtigen Lage der richtige Gedanke kommen muß: ganz unerwartet und ohne langes Suchen.“
    Ich war inzwischen zurückgekehrt und sah, daß Ben Nil sein Messer in der Hand hatte. Auf meinen fragenden Blick erklärte er:
    „Als die Takaleh kamen, sagte ich diesem Baqquara, daß ich ihn, falls er den leisesten Laut hören lasse, sofort erstechen werde. Nun sind sie fort. Wollen wir nicht aufbrechen?“
    „Nein. Ich will sie erst fortlassen.“
    „Aber wir versäumen damit eine kostbare Zeit. Du weißt, wie eilig wir es haben, nach Faschodah zu kommen!“
    „Diesen Zeitverlust holen wir mit unseren guten Kamelen bald wieder ein. Ich muß wissen, wie wir zu reiten haben, damit diese Takaleh nicht auf unsere Fährte stoßen. Da sie einen Löwen in ihrer Nähe vermuten, werden sie sich nicht lange mehr an der Furt aufhalten, denn sie müssen annehmen, daß das Raubtier diese Furt als Wechsel benutzt. Ich werde sie beobachten.“
    Um dies zu tun, stieg ich wieder auf den Baum und nahm dieses Mal mein Fernrohr mit. Ich konnte mit Hilfe desselben über beide Seen hinwegblicken; aber die Bäume und Sträucher der Ufer, hinter denen sich die Karawane befand, verhinderten mich, zu beobachten, was die Leute taten.
    Nach vielleicht einer halben Stunde bemerkte ich eine Bewegung oben an der Furt, und dann sah ich den Zug am diesseitigen Ufer unter den Bäumen hervorkommen und sich südwärts hinaus in die Wüste wenden. Eine Abteilung der Reiter war voran, die anderen hinterdrein; die Gefangenen marschierten in der Mitte. Ich verfolgte die Karawane mit dem Rohr, bis sie am Horizont verschwunden war. Dann richtete ich das Teleskop ohne eine

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