28 - Im Lande des Mahdi II
bestimmte Absicht, ganz unwillkürlich, nach Norden und nach Osten. Dort, in letzter Richtung, bewegten sich einige Punkte. Waren das Tiere oder Menschen? Sie näherten sich, aber nicht gerade auf uns zu, sondern in südwestlicher Richtung, so daß dieselbe mit derjenigen der Karawane im Süden von uns zusammenstoßen mußte. Die Gestalten waren selbst durch das Rohr zu klein, als daß ich hätte bestimmen können, wer oder was sie seien. Und sie wurden noch kleiner und immer kleiner, bis ich sie gar nicht mehr sehen konnte. Jetzt stieg ich vom Baum herab.
Gestern abend hatte ich die Züge Hafid Sichars nicht deutlich erkennen können; jetzt am Tag sah ich, daß er eine große Ähnlichkeit mit seinem Bruder besaß. Er bat mich, ihm die Mumienhand zu zeigen, und als ich dieser Aufforderung nachgekommen war, erklärte er, daß er sie erkenne, und daß sie wirklich die Hand der Pharaonentochter sei, die er gemeint habe. Darauf öffnete ich meinen wasserdichten Gürtel, nahm die beiden unadressierten Briefe heraus, welche sein Bruder mir in Siut gegeben hatte, und sagte:
„Diese Briefe brachte mir Ben Wasak in den Palast des Pascha nach Siut. Er sagte mir, daß ich sie nach meiner Ankunft in Karthum öffnen solle.“
„So sind sie dein Eigentum“, sagte er, indem er sie in die Hand nahm, um sie zu betrachten. „Stecke sie wieder ein, und öffne sie, wenn du nach Karthum kommst!“
„Ich hätte lieber Lust, sie dir jetzt zum öffnen zu übergeben. Ich glaubte damals, und infolgedessen dein Bruder auch, daß ich direkt nach Karthum gehen würde. Es ist aber anders gekommen. Ich mußte nach dem Land der Fessarah; es ist inzwischen eine nicht unbedeutende Zeit vergangen, und wer weiß, welchen wichtigen Inhalt diese Briefe haben. Es ist vielleicht besser, wenn wir ihn kennenlernen.“
„So öffne sie jetzt!“
„Nein, du! Ich bin noch nicht in Karthum.“
„So werde ich sie aufmachen. Es könnte doch etwas darinstehen, was uns zu wissen Vorteil bringt.“
Er öffnete die Umschläge. Sie enthielten je einen offenen Empfehlungsbrief und eine Anweisung auf ein Kartuhmer Haus.
„Hat mein Bruder dich gekannt, ehe du zu ihm nach Maabdah kamst?“ fragt Hafid Sichar.
„Nein.“
Er sah mich mit einem langen, großen Blick an, und seine Augen glänzten feucht, als er dann sagte:
„Das, das tat mein Bruder für mich, und ich glaubte, er habe mich ganz aufgegeben. Diese Anweisungen sagen mehr, als du denkst. Sie sind von hohem Betrag. Er muß vorher alles mögliche, mich zu entdecken, aufgeboten haben. Er sah dich zum erstenmal und gab dir solche Briefe mit! Du mußt ihm als ein sehr ehrlicher und vertrauenswerter Mann erschienen sein. Bedenke, daß du ein Christ und ihm vollständiger Fremder warst! Was hättest du mit dem vielen Geld gemacht?“
„Dir gegeben, sobald ich dich fand. Stecke die Empfehlungen und Anweisungen ein; sie gehören dir! Wir werden zusammenbleiben, bis du zu deinem Bruder kommst, und falls ich etwas bedarf, werde ich es dir sagen.“
„Gut! Unter dieser Bedingung werde ich die Papiere behalten. Aber wohin soll ich sie stecken, da ich keine Taschen habe?“
Es war wahr, er hatte keine einzige Tasche, da er, der reiche Mann, nur mit einem, noch dazu ziemlich defekten, Lendenschurz bekleidet war.
„Du wirst gleich Taschen haben“, antwortete ich. „Dieser Baqquara ist von deiner Statur. Ihr werdet eure Anzüge wechseln. Du nimmst den seinigen, und er bekommt den deinigen.“
„Wage das!“ fuhr mich der Baqquara an. „Ich bin ein freier Ben Arab und gehe nicht nackt!“
„Vorher war er gefangen, und du warst frei; darum ging er nackt, und du trugst Kleider. Jetzt bist du gefangen, und er ist frei; folglich wechselt auch die Kleidung.“
„Ich dulde es nicht!“
„Ben Nil, schneide Stöcke ab zur Bastonade!“
„Schlagen, mich schlagen?“ schrie der Baqquara auf. „Mir die Bastonade, mir? Wer gibt dir das Recht dazu?“
„Der Vizekönig. Ich stehe hier an Stelle des Raïs Effendina. Aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, würde ich tun, was mir beliebt. Du bist ein Verbündeter meines Todfeindes, der mir nach dem Leben trachtet. Du selbst hast gestern abend direkt gegen mich gesprochen und gehandelt. Mit welchem Recht? So frage ich dich ebenso, wie du nach meinem Recht fragst. Mit dem Recht des Stärkeren! Nach dem Gesetz der Wüste und Steppe. Ich rate dir: Wenn dir deine Fußsohlen lieb sind, so füge dich freiwillig meinem Befehl! Ich habe dir die Freiheit
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