28 - Im Lande des Mahdi II
gegen ein offenes Geständnis geben wollen; du bist nicht auf meinen Vorschlag eingegangen und hast es dir also nur selbst zuzuschreiben, wenn die Folgen davon dich nicht gerade in Entzücken versetzen. Herunter mit dem Anzug!“
Ben Nil wollte ihm den Haïk ausziehen, aber er wehrte sich. Da machte ich nun Ernst. Er wurde vor dem Baum auf den Bauch gelegt und mußte die Unterschenkel von den Knien an aufwärts anheben. Sie wurden an den Stamm gebunden, so daß er sich nicht bewegen konnte. Dann setzte Hafid Sichar sich ihm auf den Rücken, damit er liegenbleiben mußte, und Ben Nil schnitt einen fingerstarken Stock vom Busch. Gleich beim ersten Hieb schrie der Gezüchtigte auf; beim zweiten jammerte er:
„Laß ab, laß ab, Effendi! Ich will gehorchen. Diese Bastonade kann kein freier Arab Baqquara aushalten!“
„Du konntest sie dir ersparen. Laß dir die beiden Streiche zur Lehre dienen!“
Er wurde losgebunden, und nun ging der Kleiderwechsel ohne weiteres vonstatten. Dann rüsteten wir uns zum Aufbruch. Für die Menschen war noch Wasser vorhanden; für die Kamele wurden die Schläuche aus dem Nid en Nil gefüllt. Dann stiegen wir auf und verließen den Ort, von welchem ich nicht geahnt hätte, daß ich an demselben den von seinem Bruder so lange vergeblich gesuchten Hafid Sichar finden würde.
Wie schon erwähnt, sollten die Takaleh unsere Fährte nicht sehen; deshalb hatte ich sie voranziehen lassen. Dennoch folgten wir zunächst der ihrigen, um später von derselben abzubiegen. Als wir ungefähr eine Viertelstunde geritten waren, sahen wir von links her eine zweite Fährte kommen. Sie stammte jedenfalls von denjenigen Wesen, welche ich als kleine Punkte durch das Fernrohr am östlichen Horizont gesehen hatte, und hier war der Punkt, an welchem sie auf die Spuren der Takaleh gestoßen war.
„Wer mag das gewesen sein?“ meinte Ben Nil. „Es sind so kleine Stapfen.“
Ich stieg ab und hieß auch ihn absteigen, denn er sollte sich im Fährtenlesen üben. Was er von und bei mir lernte, konnte ihm später wohl von Nutzen sein. Ich wußte gleich beim ersten Blick, woran ich war, doch forderte ich ihn auf:
„Sieh dir diese Spuren genau an! Von welchen Tieren können sie eingetreten worden sein?“
„Das – das sind wohl Esel gewesen?“ sagte er, mich fragend anblickend.
„Ja, Esel“, nickte ich ihm befriedigt zu. „Und wie viele?“
„Vier oder fünf.“
„Nein, sondern nur drei. Wenn man die Zahl der Tiere wissen will, muß man sein Augenmerk nur auf die Summe der Eindrücke eines bestimmten Beines richten. Wer die Spuren aller Hufe zählt, wird irre. Nehmen wir zum Beispiel den rechten Vorderhuf. Du erkennst den Eindruck an mehreren Zeichen, vor allen Dingen daran, daß er nach außen, also nach rechts, mehr konvex ist als nach innen, nach links. Zieh dann die Verschiedenheit der Eindrücke dieser, rechten Vorderhufe zu Rat, so wirst du die Zahl der Tiere haben.“
„Ja, es waren nur drei Esel“, sagte er, nachdem er die Spur von den gegebenen Gesichtspunkten aus noch einmal genau betrachtet hatte.
„Was trugen die Esel? Reiter oder Lasten? Oder ging einer von ihnen vielleicht frei?“
„Woran erkennt man es?“
„An der Tiefe der Eindrücke, an der Regelmäßigkeit des Ganges und aus anderen, mehr durch den Zufall gegebenen Zeichen. Je schwerer ein Tier beladen ist, desto tiefer drückt sich sein Fuß in den Sand. Ein Lasttier wird meistenteils vorn leichter als hinten gehen. Ein Reittier hat einen unregelmäßigeren Gang als ein Saumtier, weil es mehr von dem Willen seines Reiters abhängig ist, während das Lasttier ruhig seinen Gang fortgeht. Komm ein Stück auf dieser Fährte weiter, so siehst du, daß jeder der Esel einmal rechts, einmal links, einmal in der Mitte gegangen ist. Das kommt bei Saumtieren nicht oder nur höchst selten vor; sie haben also Reiter getragen. Was für Reiter mögen das gewesen sein?“
„Wie kann ich das wissen? Ich habe sie nicht gesehen, und da sie im Sattel saßen, konnten sie von sich keine Spuren zurücklassen.“
„Und doch ist nichts leichter als das. Auf Eseln reitet hier nur eine ganz bestimmte Art von Leuten.“
„Meinst du, es seien Dschellabi gewesen?“
„Ja, da nur ein Dschellabi, ein Händler, sich in dieser Gegend des Esels bedient. Also soviel wissen wir. Wo kamen sie her? Das interessiert uns nicht; aber wohin sie wollen, das möchten wir wissen, da wir sie vor uns haben und sie vielleicht einholen werden.“
„Kannst du
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