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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Aufforderung wurde Folge geleistet; dann fand er es für angemessen, sich auch mit meiner Person zu beschäftigen:
    „Da ich das lebendige Grab so vieler Gläubigen erschossen habe, sind mir die Uhr und das Fernrohr zuzusprechen, denn ich habe sie gewonnen, da ich ganz dasselbe tat, was der Effendi tag: ich erlegte gerade so wie er einen vierfüßigen Herrn mit der Stimme, die dem Donner gleicht, ja ich erlegte den meinigen sogar noch eher als er den seinigen. Dieser liegt hier unter meinen Füßen, hingestreckt in seiner eigenen Haut, welche ihm lebendig vom Leibe hätte gezogen werden sollen. Der Effendi brauchte zwei Schüsse, um ihn zu töten, während bei mir nur eine Kugel nötig war. Dennoch soll auch diesem Sieger die Belohnung werden. Ruft auch ihm ein dreimaliges Heil zu!“
    „Heil, Heil, Heil!“ wurde mir dargebracht.
    „So sind also nun die Helden und Sieger geehrt, und es ist das Recht der Besiegten, verhöhnt und angespien zu werden. Schlagt diesen Mörder des Menschengeschlechts, stoßt ihn, kneift und zwickt ihn; zerrt ihn am Schwanz und bei den Ohren; sagt ihm die Namen, welche ihm gebühren, damit seine feige Seele in unendlicher Scham versinke und ersticke! Macht euch über ihn her, rauft ihm die Haare aus; zerreißt sein Fell, damit seinesgleichen sich ein warnendes Beispiel nehme und sich nicht mehr an die Anhänger des Propheten wage, sondern sich mit dem Fleisch der Schafe und Ziegen begnüge! Ich habe gesprochen. Preis sei den Siegern! Heil, Heil, Heil!“
    Er stieg, während die Asaker in seinen Ruf einstimmten, von dem Löwen herab, auf welchen sich nun alle warfen. Das tote Tier wurde mit Händen und Füßen so bearbeitet, daß ich gezwungen war Einhalt zu gebieten, um das schöne Fell zu retten. Ich erreichte das am schnellsten dadurch, daß ich das allgemeine Geschrei mit meiner Stimme übertönte:
    „Auf, auf, ihr Gläubigen! Diesem Würger von El Teitel ist nun der Schande genug gebracht worden. Laßt uns jetzt den berühmten Löwen aufsuchen, welchem unser Ben Fessarah das Leben nahm! Meine Seele ist begierig, sich an seinem Anblick zu erfreuen.“
    „Oh, du wirst dich unendlich freuen, Effendi“, antwortete der Genannte. „Mein Löwe ist fast noch einmal so groß wie der deinige, denn sein Kopf ragte noch über die Büsche empor, in denen er steckte. Ich habe meine Wette gewonnen, und du wirst mich nicht um den Gewinn betrügen, wie auch ich dir den deinigen sofort ausgehändigt hätte. Ich stelle mich an eure Spitze, ihr Männer, folgt hinter mir und bildet den Triumphzug nach dem Platz des Kampfes, an welchem mein Ruhm den ersten Preis gewonnen hat!“
    Was die Wette betraf, so war ich um den Ausgang derselben gar nicht bange. Ich wußte, daß ich gewonnen hatte und daß der ‚preisgekrönte‘ Fessarah jetzt einer ebenso großen wie unvermeidlichen Blamage entgegenging. Ich erriet jetzt, wer oder was sein Löwe war, dessen Kopf noch über die Büsche emporgeragt hatte. Unsere Kamele lagerten am Brunnen; aber dasjenige des Fakir el Fukara, welches frei gegrast hatte, war nicht mehr zu sehen. Es war, die jungen Zweige von den Büschen fressend, zwischen dieselben eingedrungen und von dem einen ‚Helden dieses Tages‘ für den Löwen gehalten und er- oder doch wenigstens angeschossen worden.
    Der Zug setzte sich still in Bewegung. Man mußte wieder vorsichtig sein, da man noch nicht wußte, ob der zweite Löwe tot oder nur verwundet war. Je mehr man sich der Stelle näherte, desto langsamer schritt der Fessarah voran; er blieb endlich gar stehen und wandte sich rückwärts an mich:
    „Effendi, du bist doch überzeugt von meiner Heldenhaftigkeit?“
    „Vollständig, denn du hast das größte und berühmteste Tier der Wüste erlegt. Leider aber befürchte ich, daß der Fakir el Fukara dir nicht dafür dankbar sein wird.“
    „Das erwarte ich auch gar nicht, da er nicht von meinem Löwen, sondern von dem deinigen bedroht wurde. Er mag also seinen Dank an dich richten. Dieser mein Löwe aber bedrohte den Brunnen mit allen Asakern und Gefangenen, und dies ergibt für mich einen weit größeren und zahlreicheren Dank als denjenigen, den du nur allein von dem Fakir zu erwarten hast. Jetzt aber komm und schreite du voran! Ich weiß, daß du schärfere Augen hast als ich.“
    „Du irrst. Ich sehe zu Zeiten sehr schlecht, und dann kann es mir leicht passieren, daß ich einen Löwen für ein Kamel halte. Welch eine Kränkung für dich, wenn mir gerade heute und hier ein solcher

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