28 - Im Lande des Mahdi II
Irrtum widerführe! Du bist der Sieger; geh nur du voran!“
Er mußte sich fügen; aber mit seinem Mut schien es Kap Finisterre zu sein, denn er bewegte sich in einer Weise vorwärts als ob er auf Eiern gehe, von denen er keins zertreten dürfe. Schon nach sechs oder sieben Schritten blieb er wieder stehen, deutete vorwärts und meldete mit sehr unterdrückter Stimme:
„Allah kerihm! Dort liegt er. Ich sehe zwei seiner Füße, welche sich bewegen. Effendi, was ist da zu tun?“
„Nur immer drauf!“
„Aber er beißt! Er ist noch nicht tot, sondern wohl nur verwundet.“
„So tritt hinzu und gib ihm noch eine Kugel! Freilich verkürzt das deinen Ruhm, da du dann nicht mehr behaupten kannst, ich hätte eine Kugel mehr gebraucht als du.“
„Auf diesen Ruhm kommt es mir ja gar nicht an. Das will ich dir beweisen. Ich habe nur eine Kugel in meiner Flinte; das Gewehr aber ist zweiläufig; du bist also weit besser als ich imstande dem Fresser vollends den Garaus zu machen. Tue es, Effendi; ich räume dir den Vortritt ein!“
„Meine Bescheidenheit gestattet mir nicht, deinen Wunsch zu erfüllen.“
„Das ist sehr schön von dir, Effendi, aber – o Allah, er bewegt die Beine wieder, und hörst du das Schnauben? Er ist zornig. Ich stelle mich hinten an!“
Er huschte an mir und den Asakern vorüber und suchte hinter denselben Sicherheit vor dem vermeintlichen Löwen. Dieser hatte allerdings ein hörbares Lebenszeichen von sich gegeben, aber es war nicht das zornige Schnauben eines angegriffenen wilden Tieres, sondern das schmerzliche Röcheln eines verwundeten Kamels. Auch die Asaker wichen erschrocken zurück. Ich blieb stehen und sagte zu dem Fessarah:
„Gut, ich bin bereit, an deiner Stelle die Gefahr von euch abzuwenden, aber nur unter einer Bedingung. Ich werde ihn umschleichen und nach dir zu heraustreiben. Dann hast du, wenn er sich auf dich wirft, einen herrlichen Schuß.“
Ich tat einige Schritte, als ob ich dieses Vorhaben ausführen wolle. Da schrie er auf:
„Um Allahs willen, tue das nicht; ich mag nichts davon wissen!“
„Aha, du fürchtest dich. Nun, so will ich dir zeigen, wie groß die Gefahr ist, welche es dabei gibt. Das sind nicht die Hinterpranken eines Löwen, sondern die Füße eines Kamels.“
„Du irrst, du irrst dich! Deine Augen sind schlecht. Du hast selbst gesagt, daß du zuweilen einen Löwen für ein Kamel hälst!“
„Und du ein Kamel für einen Löwen. Du sollst sofort den Beweis dafür haben. Ja, dieses Tier war bedeutend höher als der Löwe, welchen ich geschossen habe; es war aber kein Löwe, sondern das Kamel des Fakir el Fukara! Da, schau her!“
Ich ging hin und schob mit dem Gewehr die Zweige auseinander. Da sahen sie das Kabel liegen; es war in das rechte Hinterbein geschossen. Nun war es mit der Angst der Asaker plötzlich vorüber. Sie drängten sich herbei und brachen in ein schallendes Gelächter aus.
„Welch ein Löwe, welch ein grausiges Untier!“ rief einer von ihnen. „Hätte die Kugel des Fessarah ihn nicht niedergestreckt, so würde dieser Menschenfresser uns alle verschlingen. Ja, der Fessarah hat uns aus einer entsetzlichen Gefahr befreit; er hat uns allen das Leben gerettet; er ist der berühmteste Löwenjäger im ganzen Land. Erhebt eure Stimmen, ihr Männer, um ihn zu preisen! Ruft dreimal Heil, Heil, Heil über ihn!“
„Heil, Heil, Heil!“ lachten und jubelten sie.
Der Gepriesene antwortete nicht und entzog sich den weiteren Huldigungen, indem er davonrannte und sich in das Gebüsch versteckte. Das Kamel konnte nicht auf, denn der rechte Schenkelknochen war ihm zerschmettert; es mußte getötet werden. Eben kehrte sein Besitzer, der Fakir el Fukara, aus dem Wald zurück. Er kam zu mir, gab mir die Hand und sagte, so daß alle es hörten:
„Effendi, verzeihe mir, daß ich dich stehen ließ, ohne dir zu danken! Es war schrecklich. Ich hatte zu viel gewagt. Meine Glieder klapperten, und meine Seele zitterte mir im Leibe. Der Fresser hatte es auf mich abgesehen, und ohne dich wäre ich von ihm zerrissen worden. Das Entsetzen hatte mir die Sprache geraubt, so daß ich dir kein Wort sagen konnte. Ich entwich in das Dunkel des Waldes, um im Stillen Allah zu preisen. Nun kann ich wieder reden und sage dir Dank. Du bist mein Bruder; die Feindschaft, mit welcher ich dich betrachtete ist verschwunden, und ich wünsche, dir den Beweis geben zu können, daß meine Gesinnung gegen dich sich vollständig umgewandelt hat. Willst du mir
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