28 - Im Lande des Mahdi II
mit besonderem Fleiß studiert.“
„Und kennst du auch die Erklärungen, welche eure Schriftgelehrten dazu gegeben haben?“
„Ja.“
„So sage mir, ob ihr Mohammed für einen Propheten haltet!“
„Nach unserer Überzeugung ist er kein Prophet, sondern nur ein gewöhnlicher Mensch.“
„So gibt es bei euch wohl gar keine Propheten?“
„Oh doch! Wir verstehen unter den Propheten diejenigen vom heiligen Geist erleuchteten Männer, welche Gott zu seinem Volk sandte, um dasselbe über die ewigen Wahrheiten zu belehren und es auf den Weg des Heils zu leiten.“
„Das hat Mohammed doch auch getan!“
„Nein. Der Weg, auf welchen er seine Anhänger wies, ist ein Irrweg.“
„So haltet ihr seine Lehre für durchaus falsch?“
„Ich möchte diese Frage freilich nicht mit einem kurzen Ja beantworten. Er hat Richtiges und Falsches zusammengeworfen. Da, wo er lebte, gab es Juden und Christen. Von diesen lernte er den Inhalt unserer Bibel kennen und konstruierte sich aus derselben und aus allerlei heidnischen Anschauungen, welche er vorfand, die Lehre, welche ihr Islam nennt. Was davon aus unserer Heiligen Schrift stammt, ist richtig, das übrige aber falsch. Da nun selbst die reinste Wahrheit, wenn sie mit der Lüge verquickt wird, nicht mehr Wahrheit ist, so muß der Koran trotz vieler Stellen, mit denen wir einverstanden sind, verworfen werden.“
„Effendi, ihr begeht den großen Fehler, den Koran zu verurteilen, ohne ihn zu kennen.“
„Das ist nicht wahr. Ich kann diese deine Behauptung mit vollem Recht umdrehen. Gibt es eine einzige mohammedanische Medresse (Universität), an welcher die Schüler unsere Bibel kennenlernen?“
„Nein, denn es ist Lehrern und Schülern verboten, sich mit den Lehren Andersgläubiger zu beschäftigen. Sie würden eine große Sünde begehen, wenn sie dies täten.“
„An unsern Medressen aber gibt es sehr gelehrte und sehr berühmte Männer, welche mit ihren Schülern den Koran studieren und denselben wenigstens, ich sage wenigstens, ebenso genau kennen wie eure Professoren. Ihr könnt die Bibel gar nicht kennen und nennt uns dennoch Giaurs; wir aber kennen den Koran und sind also sehr wohl imstande, über den Islam ein Urteil zu fällen.“
„Bist du auch der Schüler eines solchen Lehrers gewesen?“
„Ja, und zwar des berühmtesten. Er hat Abu 'l feda Beidhawi, Alis hundert Sprüche, Samachschari und andere eurer Gelehrten übersetzt. Ich lernte bei ihm eure Sprache, den Koran, die Sunna und die von euren Religionslehrern dazu gegebenen Erläuterungen kennen und bin bereit, dir über den Islam jede gewünschte Aufklärung zu geben.“
„Wunder über Wunder! Ein Christ will mir, dem gelehrten Fakir el Fukara, Erklärung des Koran, der Sunna und aller heiligen Schriften geben! Sollte man so etwas für möglich halten! Du bist nicht nur in Taten, sondern auch in Worten verwegen, Effendi!“
„Von einer Verwegenheit kann da gar keine Rede sein. Was ich sage, hat alles Grund und vollständige Berechtigung. Versuche es!“
„Nein. Ich werde mich hüten, mit einem Christen über den Islam zu disputieren. Du läßt dich doch nicht bekehren. Es waren nur einige wenige Fragen, welche du mir beantworten solltest. Selbst dem weisesten der Weisen ist es unmöglich, ein endgültiges Urteil über unsern Glauben zu fällen, denn Mohammed hat das Werk nur begonnen. Zu Ende führen wird es ein anderer.“
„Wer?“
„Das fragst du? Und doch behauptest du, den Koran und alle seine Erläuterungen zu kennen! Durch diese Frage hast du bewiesen, daß du sie noch nicht kennst.“
„Du irrst dich abermals. Ich weiß, daß du den Paraklet, den Ma'dijj meinst, den viele von euch erwarten.“
Dieses Wort darf nicht Mahdi, sondern es muß Ma'dijj geschrieben werden; es kommt von dem arabischen Verbum hahdaja her, welches ‚führen‘ heißt, und bedeutet: der auf den rechten Weg Geführte, der Helfer, der Vermittler. Doch werde ich dem einmal gewohnten Gebrauch folgen und Mahdi schreiben.
„Du weiß das also doch?“ fragte er. „Hast du gehört, daß ein Mahdi kommen wird?“
„Gehört und auch gelesen. Der Koran erwähnt nichts von ihm, und auch den Kommentaren ist die Sendung eines Mahdi unbekannt; er lebt nur in der mündlichen Überlieferung, auf die ich nichts gebe.“
„Ich desto mehr. Allah wird einen Propheten senden, welcher das von Mohammed begonnene Werk zu vollenden hat. Dieser Prophet wird die Ungläubigen entweder bekehren oder, wenn sie sich nicht
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