28 - Im Lande des Mahdi II
Menschen, von Ibn Asl an bis zum letzten seiner Leute herunter, nicht gezaudert hätte, mir den heiligsten Schwur zu brechen.
„Nun?“ fragte er, als er sah, daß ich fertig war. „Hat er nur die Besinnung verloren?“
„Ja, er hat nur die Besinnung verloren und wird sie für diesmal auch nicht wieder bekommen. So ist es, wenn man unbesonnen handelt und sich darauf freut, einem Menschenkind die Nägel auszureißen!“
„Was? – Er ist tot?“
„Ja. Er wird nie wieder einen Menschen zum ‚Singen‘ bringen. Mein Fußtritt hat ihm inneren Organe verletzt oder gesprengt; ferner hat er sich die Zunge zerbissen; und endlich ist er so gefallen, daß ihm das Genick gebrochen ist.“
„Allah kerihm! Du bist sein Mörder!“
„Ich nicht. Zwei andere sind es gewesen, nämlich du und er selbst.“
„Nein, du warst es, denn du hast ihm den Fußtritt versetzt. Du hast von Stunde zu Stunde immer mehr zu büßen. Denke ja nicht daran, daß ich dich freigeben kann!“
„Nein, sterben muß er!“ rief der Oberleutnant.
„Sterben, sterben!“ stimmten zwanzig, dreißig, fünfzig andere ein.
„Bedenke, daß dann auch dein Vater stirbt!“
„Bedenke“, lachte er ingrimmig, „daß ich bis jetzt nur dich gehört habe und auch noch Oram hören muß! Wahrscheinlich gibt das, was er mir zu sagen hat, der Sache eine Wendung, welche dich erbeben macht. Mag es aber kommen, wie es will, dich gebe ich nicht frei!“
„So willst du deinen Vater opfern?“
„Mag er sterben! Er hat lange genug gelebt. Dir habe ich nachgestrebt, ohne dich fassen zu können. Jetzt bist du freiwillig in die Hände gelaufen, und diese werden dich festhalten, um dich erst dann wieder zu lassen, wenn der letzte Seufzer deines Atems mit dem letzten Tropfen deines Blutes davongegangen ist. Bringt die drei Hunde fort, mir aus den Augen, hinunter in den Raum! Riegelt sie dort ein, und laßt einen Wächter bei ihnen stehen!“
Wir wurden gepackt und über das Deck nach der Luke geschleift. Dort ließ man uns über die Stiege hinabfallen, ohne zu fragen, ob wir mit heilen Gliedern unten ankommen würden. Unten war es dunkel. Man nahm uns auf und trug uns fort, ob nach vorn oder hinten, das konnte ich nicht beurteilen. Ich hörte einen Riegel gehen; er war nicht von Eisen, sondern von Holz. Wir wurden niedergeworfen; eine Tür fiel zu; der Riegel klapperte wieder, dann sagte einer der Kerls:
„Viel zuviel Rederei mit diesen Hunden! So kurz wie möglich; das Messer ins Fleisch; das ist das beste. Allah verbrenne sie! Wer bleibt da?“
„Ich!“ antwortete eine Stimme, welche mir bekannt vorkam.
„Gut! Dann löse ich dich ab. Aufzupassen gibt es eigentlich nichts. Sie sind gebunden, und wie wollten sie auch vom Schiff kommen!“
Schritte entfernten sich; dann wurde es draußen still. Ich fühlte, daß wir auf einer Holzdiele lagen, und horchte auf das Geräusch des Wassers, um beurteilen zu können, ob wir uns im Vorder- oder Hinterteil befanden. Es war nichts zu hören. Da man den Sog unbedingt gehört hätte, so war anzunehmen, daß wir im Vorderteil lagen. Wir lagen ganz trocken, folglich hatte man uns nicht in den eigentlichen Kielraum gebracht.
Abu en Nil wollte sprechen; ich verbot es ihm. Jetzt war die Hauptsache, sich zu orientieren. Es mußte auf jedes, selbst das geringste Geräusch geachtet werden. Draußen hörte ich ein leises Tappen und Schleichen. Es entfernte sich und kam dann wieder zurück. Dann wurde an unsere Tür geklopft, so vorsichtig, daß man es nur wenige Schritte weit hören konnte. Wir antworteten nicht. Es klopfte wieder, diesmal etwas stärker, und als wir auch jetzt schwiegen, erklang es leise:
„Effendi, hörst du mich?“
„Ja“, antwortete ich.
„Ich bin mit Fleiß als Wächter geblieben. Wirst du mich verderben?“
„Verderben – Wer bist du denn?“
„Der, mit dem du gestern in Hegasi gesprochen hast.“
Ah, Gott sei Dank! Da begann uns ja ganz unerwartet ein Stern zu leuchten! Zwar kaum wahrnehmbar jetzt, aber wenn man es richtig anfing, konnte er sich zu einem hellen Doppelstern entwickeln und vielleicht gar zum Rettungsstern werden. Der Mann hatte Angst; er glaubte, daß ich im Zorn vielleicht mein ihm gegebenes Wort vergessen und plaudern werde. Diese Sorge kam mir sehr gelegen. Wenn Ibn Asl erfuhr, was er mir alles gesagt hatte, so stand ihm jedenfalls eine sehr harte Strafe bevor.
Ich hatte mich, falls alles andere mißglückte, auf meine Körperkraft verlassen. Wahrscheinlich war es
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