28 - Im Lande des Mahdi II
leisteten?“
„Ja.“
„So taten sie keine Sünde, denn du bist ein Ungläubiger.“
„Ah, ist es so? Also wenn ein Moslem einem Christen einen falschen Eid schwört, so ist das erlaubt, so ist das kein Meineid?“
„Es ist, als hätte er nichts gesagt.“
„Und da verlangst du, daß ich dich schwören lassen und dir glauben soll? Du hast dich selbst gefangen, und ich verzichte nun darauf, den menschenfreundlichen Vorschlag auszusprechen, den ich dir machen wollte.“
„So sind wir also fertig?“
„Trotzdem noch nicht. Ich mach dir ein anderes Anerbieten.“
„Laß es hören!“
„Du gibst uns drei hier frei, und ich gebe dir dafür deinen Vater und den Fakir el Fukara. Die andern Gefangenen liefere ich an den Raïs Effendina aus.“
„Welch eine Verwegenheit!“ lachte er höhnisch grimmig auf. „Dieser Giaur befindet sich in unserer Gewalt und redet genauso, als ob er uns Befehl erteilen könne! – Warum erhebe ich nicht die Hand, um dich zu zerschmettern?“
„Weil du nicht kannst; sie ist dir gebunden. Sterbe ich, so stirbt dein Vater auch, und zwar vielleicht eines schlimmeren Todes als ich.“
„Das weißt du so genau?“
„Ja. Er ist so unvorsichtig gewesen, zu sagen, in welcher Weise ich von dir gemartert werden soll. Kehre ich nun zur bestimmten Stunde nicht zurück, so wird man ohne allen Verzug ihn ganz genau denselben Martern unterwerfen, und nicht nur ihn, sondern alle und jeden einzelnen Gefangenen. Laß die kostbare Zeit nicht verstreichen!“
„Wann mußt du zurück sein?“
„Das brauchst du nicht zu wissen. Je schneller du dich entschließest, desto weniger läuft dein Vater Gefahr.“
„Also euch drei Personen soll ich gegen nur zwei ausliefern! Ist das richtig gerechnet?“
„Ja, denn Abu en Nil zählt nichts, da er euch nichts getan hat.“
„Und wie hoch schätzest du dich?“
„Bei diesem Handel bin ich nur eine Ziffer. Zwei Männer gegen zwei Männer. Der Steuermann hier geht nebenbei.“
„Ist dies dein fester, letzter Vorschlag?“
„Ja.“
„So will ich dir auch den meinigen sagen. Ihr gebt alle eure Gefangenen frei, und ich liefere dafür Abu en Nil und Ben Nil aus.“
„Und ich?“
„Du bleibst bei uns.“
„Danke! Allah ist groß. Er hat dich mit einer Klugheit begnadet, vor welcher ich, wenn ich nicht schon am Boden läge, in Demut auf den Knien kriechen würde!“
„Und deine Weisheit ist grenzenlos, denn – sie hat noch gar keinen Anfang gehabt! Wie kann ich dich freigeben! Denke zurück an alles, was du gegen uns begangen hast! Und dort liegt ein Mann, den du vorhin ermordet hast!“
„Ermordet?“
„Ja. Er bewegt sich noch immer nicht.“
„Er wird besinnungslos sein. Untersucht ihn nur!“
„Wir haben keinen Hekim an Bord. Aber – du bist ein Fremder, ein Effendi. Alle fremden Effendi sind Ärzte. Bist auch du einer?“
„Ja.“
„So untersuche ihn!“
„Ich bin ja gefesselt.“
„Wenn ich dir die Hände freigäbe, so würdest du einen Fluchtversuch machen!“
„Nein.“
„Wer kann dir trauen! Du bist stark, verwegen und schnell.“
„Meinst du, daß ich Lust habe, in den Nil zu springen und mich von den Krokodilen fressen zu lassen? Und selbst wenn ich so tollkühn sein wollte, so gebe ich dir mein Wort, daß ich ohne diese meine Mitgefangenen das Schiff auf keinen Fall verlasse. Gib mir also die Hände frei! Und wenn ich den Mann untersucht habe, lasse ich sie mir ruhig wieder fesseln.“
„Gut! Aber ich nehme meine Pistole in die Hand und schieße dich bei der geringsten falschen Bewegung über den Haufen.“
Man brachte mir den Menschen zu mir her und löste mir die Hände. Die Füße blieben zusammengebunden. Hätte ich mein Wort brechen wollen, so wäre es mir leicht gewesen, einen Streich aufzuführen, der uns gewiß von Nutzen gewesen wäre. Der Mensch, welcher ohne Bewegung vor mir lag, hatte das Messer in seinem Gürtel. Es herauszuziehen und meine Fußfessel durchschneiden, wäre in einem einzigen Augenblick geschehen gewesen; ein zweiter Moment hätte genügt, Ibn Asl zu packen. Dieser hatte zwar die Pistole in der Hand, aber den Hahn nicht gespannt; er hielt sie auch nicht auf mich gerichtet, sondern niederwärts. Hätte ich ihn gefaßt und mit in die Kajüte, neben welcher wir uns befanden, gerissen, so wäre ich sein Herr gewesen und hätte ihm diktieren können, was mir beliebte. Aber ich hatte mein Wort gegeben und mußte es halten, obgleich ich überzeugt war, daß jeder dieser
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