28 - Im Lande des Mahdi II
gebissen habe.
Alles schrie, fluchte und drohte. Ibn Asl gebot Ruhe und untersuchte den Getroffenen, welcher kein Lebenszeichen gab. Er ließ ihn forttragen, ballte die Faust gegen mich und knirschte:
„Das sollst du büßen, zehnfach, hundertfach büßen! Nun sollen deine Qualen noch ganz anders sein, als ich vorher beschlossen hatte. Haltet ihn fest, damit er sich nicht bewegen kann, und dann herunter mit den Nägeln!“
Sechs, acht Kerls warfen sich auf mich. Ich wehrte mich nicht im geringsten. Einer holte die Zange, welche weit fortgeflogen war, und schickte sich an, die Operation zu vollziehen.
„Halt, vorher ein Wort, Ibn Asl!“ rief ich jetzt. „Tue mit mir, was du willst; du wirst keinen Laut des Schmerzes hören. Aber was mit mir geschieht, genau dasselbe wird mit Abd Asl, deinem Vater, geschehen!“
„Mit – meinem – Vater?“ fragte er erstaunt.
„Ja. Und nicht nur mit ihm allein, sondern auch mit jedem seiner Leute, die er bei sich hat.“
„Was weißt du von meinem Vater? Wo ist er?“
„Mir entgegen, um mich zu fangen.“
„Das – ist – richtig! Du bist ihm abermals entgangen. Er hat dich nicht getroffen.“
„Allerdings. Er hat mich nicht getroffen; aber ich habe ihn getroffen, und zwar in der Weise, daß er nun wohl nicht wieder wünschen wird, mir zu begegnen.“
„Kullu Schejatin! Alle Teufel! Sagst du die Wahrheit?“
„Glaube es, oder glaube es nicht. Mir ist es gleich.“
„Wo hast du ihn getroffen?“
„Am Brunnen.“
„An welchem?“
„Das sage ich nicht.“
„Ich muß es wissen!“
„Fällt mir nicht ein! Zunächst bleibt es mein Geheimnis. Binde uns los, so werden wir dich zu ihm führen. Wo nicht, so hast du ihn und seinen ganzen Trupp auf dem Gewissen!“
„Das will ich gern“, lachte er. „Du willst dich durch eine Lüge retten.“
„Lüge? Woher könnte ich wissen, daß er mir entgangen ist?“
Er sah ein, daß dieser Einwand begründet war, denn er fragte:
„Sie waren zu Fuß?“
„Nein, zu Kamel.“
„Wieviel Mann?“
„Pah, meinst du, daß ich Lust habe, mich wie einen Buben ausfragen zu lassen? Es ist genug, daß du erfährst: Sie sind alle gefangen und werden dasselbe erleiden, was du mit uns tust.“
„So sind sie in der Nähe?“
„Nein. Wir sind auf Eilkamelen weit voran.“
„Warum bliebst du nicht bei ihnen?“
„Sie befinden sich in sicheren Händen. Ist dir einer bekannt, welcher sich Fakir el Fukara nennt?“
„Freilich ist er mir bekannt. Wir haben ja schon gestern abend von ihm gesprochen. Was willst du mit ihm?“
„Der kam zufällig dazu und wollte sie retten.“
„Ist es ihm gelungen?“
„Wäre ich dann hier? Er hat sein Unternehmen büßen müssen, denn er ist nun selbst gefangen. Ich begreife nicht, wie es dir einfallen kann, Leute auszusenden, welche mich fangen sollen. Es ist euch noch nicht gelungen und wird euch auch niemals gelingen.“
„Allah! Redest du irr? Du bist ja eben jetzt mein Gefangener!“
„Nein, denn du wirst mich wieder freigeben; das weiß ich sehr genau.“
„Eher soll mich der Scheïtan –“
„Halt! Fluche und schwöre nicht! Du weißt nicht, was du tust.“
„Und du bist listiger als der Fuchs. Niemand darf dir trauen. Du ahnst nur, daß wir dich fangen wollten, und tust nun so, als ob du alles genau wüßtest.“
„Kann ich auch ahnen, daß dein Vater der Anführer ist?“
„Nein. Aber warum bist du nach der Dschesireh Hassanieh gekommen?“
„Um mit dir zu unterhandeln.“
„Wer hat dir gesagt, daß ich mich dort befand?“
„Dein Vater. Das ist der allerbeste Beweis, daß ich mit ihm gesprochen haben.“
„Über was wolltest du mit mir verhandeln?“
„Über die Loslassung meiner Gefangenen.“
„Wieso? Wolltest du ein Lösegeld haben?“
„Darüber sprechen wir später.“
„So begreife ich nicht, daß du nicht schon gestern abend davon gesprochen hast.“
„Da hätte ich dir sagen müssen, wer ich bin, und es wäre mir unmöglich gewesen, den Raïs Effendina zu retten.“
„Wußtest du denn, daß ich auf ihn wartete?“
„Ja, von deinem Vater.“
„Das ist unmöglich, Effendi! Mein Vater wird dir doch nicht solche Dinge mitgeteilte haben!“
„Er hat es getan, ohne es zu wissen.“
„Das begreife ich nicht.“
„Du wirst, wenn du mir auch fernerhin nach dem Leben trachtest, noch manches andere ebensowenig begreifen!“
„Du sprichst in einem höchst stolzen Ton und liegst doch gebunden und hilflos vor
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