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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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durften wir nicht mehr zur Schule gehen, weil die Deutschen uns jeglichen Unterricht verboten. Es gab zwar noch illegale Schulen im Untergrund, aber nicht für alle, und ich besuchte sie schon lange nicht mehr. Ich hatte nun mal eine Familie durchzubringen.
    Dieser polnische Junge jedoch durfte lernen, konnte was aus sich machen, wollte es aber nicht. Es brachte ja auch eine Menge Geld ein, mit so einer Bande von Schmalzowniks, wie wir diese Hyänen nannten, auf die Jagd nach Juden zu gehen und sie gegen Belohnung an die Deutschen auszuliefern. Es machte den Schmalzowniks, von denen es so viele in Warschau gab, auch nichts aus, dass die Deutschen jeden Illegalen, der jenseits der Mauern gefasst wurde, erschossen.
    In diesem Frühjahr 1942 galt die Todesstrafe für alle, die sich unerlaubt im polnischen Teil der Stadt aufhielten. Und der Tod war noch nicht mal das Schlimmste; es kursierten die furchtbarsten Geschichten, wie die Deutschen ihre Gefangenen folterten, bevor sie sie an die Wand stellten. Egal, ob Mann, Frau oder Kind. Ja, manchmal quälten sie sogar Kinder zu Tode. Allein der Gedanke an so ein Foltergefängnis schnürte mir die Kehle zu. Aber noch war ich nicht geschlagen, gefoltert und erschossen. Noch war ich am Leben! Und ich musste es bleiben. Für meine kleine Schwester Hannah.
    Es gab keinen Menschen auf der Erde, den ich so sehr liebte wie dieses kleine zarte Wesen. Hannah war durch die schlechte Ernährung viel zu klein für ihre zwölf Jahre und eigentlich unscheinbar wie ein kleiner Schatten, wären da nicht ihre Augen. Die waren so groß, so wach, so neugierig und hätten verdient, etwas anderes zu sehen als den Albtraum innerhalb der Mauern.
    In diesen Augen leuchtete die Kraft einer unglaublichen Phantasie. In der Szułkult-Untergrundschule war sie zwar in allen Fächern, von Mathematik über Biologie bis Geographie, mäßig bis schlecht, aber wenn es um Geschichten ging, die sie in den Pausen den anderen Kindern erzählte, machte ihr niemand was vor: Sie fabulierte von der Waldläuferin Sarah, die ihren geliebten Prinzen Josef aus den Klauen des Dreiköpfigen Drachens befreite, von dem Hasen Marek, der für die Alliierten den Krieg gewann, und von dem Ghettojungen Hans, der Steine zum Leben erwecken konnte, es aber nicht so gerne tat, weil die Steine so griesgrämig waren. Für jeden, der Hannah zuhörte, wurde die Welt bunter und schöner.
    Wer nur sollte für die Kleine sorgen, wenn ich mich hier erwischen ließ?
    Gewiss nicht meine Mutter. Sie war so gebrochen, dass sie das kleine schäbige Loch, das wir bewohnten, nicht mehr verließ. Und erst recht nicht mein Bruder. Der war viel zu sehr damit beschäftigt, an sich selbst zu denken.
    Ich blickte von den Schmalzowniks weg, zog meinen Absatz aus dem Gitter und berührte kurz mit der Hand das Kopfsteinpflaster. Oft, wenn mich die Angst überwältigt, berühre ich die Oberfläche von etwas, um mich zu beruhigen: von Metallen, Steinen, Stoffen – egal, Hauptsache, ich merke, dass es noch etwas anderes auf dieser Welt gibt als meine Furcht.
    Der helle Stein, auf dem meine Hand für eine Sekunde lag, war ganz warm von den Sonnenstrahlen. Ich atmete tief durch, griff nach meinen Taschen und ging weiter.
    Die Schmalzowniks verfolgten mich, das wusste ich. Ich konnte ihre schneller werdenden Schritte deutlich hören, dabei gab es hier auf dem Markt noch so viele andere Geräusche: die Stimmen der Händler, die ihre Waren anpriesen, die Käufer, die über die Preise feilschten, Vogelgezwitscher oder den Lärm von Autos, die auf der Straße hinter dem Markt entlangfuhren.
    Menschen schlenderten im gemächlichen Tempo an mir vorbei. Ein junger blonder Mann im grauen Anzug, wie ihn viele polnische Studenten trugen, pfiff fröhlich ein Liedchen vor sich hin. All das nahm ich zwar wahr, aber irgendwie traten diese Geräusche in den Hintergrund. Laut hörte ich nur meinen Atem, der hektischer wurde, obwohl ich kein bisschen schneller ging, und mein Herz, das von Sekunde zu Sekunde rasender pochte. Am lautesten aber hörte ich die Schritte meiner Verfolger.
    Sie kamen näher.
    Immer, immer näher.
    Bald hätten sie mich eingeholt und würden mich stellen. Wahrscheinlich würden sie versuchen mich zu erpressen, all mein Geld verlangen für das Versprechen, mich nicht auszuliefern. Und wenn ich sie bezahlt hätte, würden sie mich dennoch verraten und von den Nazis zusätzlich das Kopfgeld kassieren.
    Mir war schon lange klar, dass so etwas früher oder

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