285 - Am Nabel der Welt
lange nur für dich allein sein.«
»Das lernt man.«
»Wo?«
Sie lachte hintergründig. »Kann es sein, dass wir in unterschiedlichen Welten Zuhause sind? Meine ist unbarmherzig, barbarisch, hinter jeder Ecke tödlich - und verzeiht keinen Fehler. Da lernt man schnell, allein zurechtzukommen. Und deine?«
»Meine ist nicht nur schwarz oder weiß. Ich kenne die Seite der Medaille, die du gerade geschildert hast, aber ich kenne auch die andere. Ich hatte das Glück, dass von Anfang an Aruula an meiner Seite war. Es gibt eben auch viel Gutes in der Welt, sonst würde all das, was wir täglich auf uns nehmen, keinen Sinn machen, oder? Ich habe nicht nur Freunde hier, aber viele Orte, an denen ich war, sind mir ebenso ans Herz gewachsen wie ihre Bewohner. Und wenn ich helfen kann, helfe ich. Weil auch mir schon oft geholfen wurde. Das hört sich nicht wirklich nach deiner Welt an, oder?«
Xij lächelte. »Es ist besser geworden.«
»Wie meinst du das?«
»Seit ich euch kenne. Ich gebe zu, dass ihr mein Leben bereichert. Ich kann viel von euch lernen - obwohl ich dachte, schon alles zu kennen.«
»Du dachtest, schon alles zu kennen? Du bist noch nicht mal zwanzig! Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Nein.« Sie schüttelte vehement den Kopf. »Ganz bestimmt nicht.«
Aruula kehrte zurück.
»Das ging aber schnell«, rief ihr Matt zu.
»Draußen ist nichts los.« Aruula trat vor die Navigationskonsole, von wo aus sie Xij im Blick hatte. »Es ist dunkel und arschkalt.«
»Was dich nicht wirklich überrascht hat«, lächelte Xij. Sie sah kurz zu Matt. »Ich nehm ihn dir schon nicht weg - falls das deine Sorge ist.«
»Wenn das meine Sorge wäre«, erwiderte Aruula mit einem ebensolchen Lächeln, »wärst du gar nicht hier.«
»Nein?« Xijs Lächeln verschwand.
»Habe ich ein Mitspracherecht?«, versuchte Matt die Situation zu entspannen. »Oder sollen wir es auslosen?«
Aruulas Blick belehrte ihn, »dass man darüber keine Witze riss«. Ein Summen und ein blinkendes Lämpchen, das die Rampenbenutzung anzeigte, rettete ihn.
»Das kann nur Lady Victoria sein«, sagte Xij, die offensichtlich ebenso an einem Themenwechsel interessiert war.
»Ich sehe mal nach, was sie vorhat«, sagte Matt und stemmte sich aus dem Sitz hoch. »Es ist nicht ungefährlich da draußen. Nicht jeder kann sich so gut verteidigen wie du.« Er lächelte Aruula im Vorbeigehen zu und streifte zärtlich ihren nackten Arm.
»Ich komme mit«, sagte die Kriegerin von den Dreizehn Inseln, zog sich die Thermojacke über und schloss sich ihm an. Xij Hamlet blieb allein im Cockpit zurück.
»Sie ist okay, oder?«, fragte Aruula leise, als sie durch das Schleusenschott nach draußen traten. Die Worte bildeten eine Wolke vor ihrem Mund.
»Wer, Victoria?«
Aruulas schwarze Haarmähne bewegte sich medusenartig, als sie den Kopf schüttelte. »Xij.«
Während Matt stehen blieb und nach der kurzhaarigen Lady Ausschau hielt, zuckte er mit den Achseln. »Im Grunde ja. Aber Xij ist ein vielschichtiger Charakter - und das im wahrsten Wortsinn. Manchmal scheint sie mir eine ganz Andere zu sein. Ich werde nicht recht aus ihr schlau.«
Aruula nickte. »Sie hat viele Gesichter. Die Frage ist: Sind alle davon unsere Freunde?« Sie stutzte und schüttelte den Kopf über die eigene Bemerkung. »Ich rede ziemlichen Unsinn, was?«
»Überhaupt nicht«, sagte Matt. »Xij hütet ein Geheimnis, und solange wir es nicht kennen, bleibt sie unberechenbar. Ich wünschte mir, du könntest sie belauschen(so umschreiben die Frauen vom Volk der 13 Inseln ihre telepathische Gabe).«
Aruula schüttelte den Kopf. »Sie hat es bemerkt, als ich es das erste Mal versuchte, und mich davor gewarnt, es wieder zu tun. Wenn wir sie loswerden wollen, wäre das der einfachste Weg.«
Das Knacken eines morschen Astes erinnerte sie daran, warum sie ins Freie gekommen waren. Matt lokalisierte die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. »Da ist sie!«
Keine zehn Schritte entfernt zeichneten sich Lady Victorias Umrisse in der sternklaren Nacht ab.
Sie gingen zu ihr. »Alles in Ordnung?«, fragte Matt.
»Ich wünschte, ich könnte darauf eine Antwort geben.«
»Was heißt das?« Matt seufzte innerlich. Das nächste Problem?
»Dass ich wahrscheinlich wieder keinen Schlaf finde.«
»Wieder?«
»Ich weiß nicht, wann ich überhaupt das letzte Mal durchgeschlafen habe. Seit wir unterwegs sind, mache ich kaum noch ein Auge zu.«
»Du hast viel durchgemacht in letzter
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