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285 - Am Nabel der Welt

285 - Am Nabel der Welt

Titel: 285 - Am Nabel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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geschrieben. Als ehemaliger Pilot erkannte Matt beim Näherkommen, dass es sich bei den Werten wohl um die Angabe von Bogensekunden und -minuten handelte, die die Position von Objekten in der näheren Umgebung festhielten.
    Matt hatte fast Scheu, sich bei der Alten bemerkbar zu machen; er fürchtete, sie nicht nur aus ihrer Beschäftigung zu reißen, sondern vielleicht sogar zu Tode zu erschrecken. Sie wirkte zerbrechlich wie eine Figur aus Glas.
    Als die Frau des Leuchtturmwärters aber keine Anstalten machte, den Sextanten, der ein enormes Gewicht haben musste, abzusetzen, räusperte er sich doch.
    Die Greisin drehte den Kopf, ohne die Hände, die das Instrument hielten, herunterzunehmen. »Was?«, fragte sie, ohne freundlich oder mürrisch zu klingen. Sie fragte einfach.
    Matt erklärte ihr, wonach er suchte - nach Leuten, die Ende August eine beunruhigende Himmelserscheinung beobachtet hatten: ein brennender »Palast der Götter«.
    Nun senkte die Frau doch den Sextanten. »Palast der Götter?«, echote sie und verschob die Kerben auf ihrem Gesicht zu einem spöttischen Lächeln. »Wer sagt denn so was?«
    »Nun, äh…« Matt wusste nicht recht, was er antworten sollte. Bislang hatten so gut wie alle Beobachter - Jenny einmal ausgenommen - die Erscheinung mit den Göttern in Verbindung gebracht.
    »Für mich war das ein Gefährt der Alten, das vom Himmel fiel«, fuhr die Greisin fort. »Ich weiß nicht, wer die Insassen waren - aber Götter waren es sicher nicht.«
    »Da magst du recht haben«, gestand Matt. Eine Vertreterin der Wissenschaft - hier an diesem abgelegenen Ort , fuhr es ihm durch den Kopf. Er hätte es ahnen können, als er den Sextanten und die Aufzeichnungen sah. Erstaunlich. »Wir sind auf der Suche nach diesem Gefährt. Kannst du uns sagen, in welche Richtung genau es flog?«
    »Ich kann - und ich werde«, sagte die Frau. »Nicht, weil du ein verdammt hübsches Jüngelchen bist«, sie grinste breit, »sondern weil ich merke, dass du ein besonderer Mensch bist. Mein Mann war genauso. Er sah nur nicht so gut aus…« Die Alte kicherte, um dann abrupt wieder ernst zu werden. »Aber sein Herz war wie deins.« Sie erhob sich so sicher wie ein junges Mädchen. Matt kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. »Komm mit!«
    »Wohin?«
    »In den Turm. Da wohne ich.« Wieder kicherte sie. »Ich weiß, die Leute werden sich das Maul zerreißen, aber lass sie reden. Da muss man drüber stehen.«
    Das wirklich Herzerfrischende an der Frau war, dass sie das, was sie redete, auch genau so zu meinen schien.
    Matt winkte kurz seinen Freunden unten im Dorf, dann folgte er ihr. Es ging eine enge Wendeltreppe hinauf, die Matt deutlich machte, warum die Greisin noch immer so fit war; wer mehrmals täglich hier hinauf und herab stieg, hielt sich zwangsläufig in Schwung.
    Oben im Leuchtturm erwartete ihn eine Überraschung, mit der er nie und nimmer gerechnet hätte - umso dankbarer nahm er sie aber an. Es stellte sich heraus, dass die alte Frau ihre Messungen stets akribisch von der Tafel in ein Büchlein übertrug und sogar alles mit Datum versah.
    Das Ereignis vor fast vier Monaten, das die Dörfler so sehr geängstigt hatte, war von ihr minutiös ausgewertet worden.
    »Darf ich mir das abschreiben?«, fragte Matt und konnte kaum das Zittern in seiner Stimme unterdrücken.
    »Wenn es dir Freude macht.«
    »Diese Zahlen hier«, sagte er und nickte, »sind Gold wert.« Er nahm das Blatt Papier und den Kohlestift, das sie ihm reichte, und fing an, die ganze Seite zu kopieren.
    »Hast du denn Gold?«, fragte die Frau.
    Er hielt kurz inne.
    »Ich will keines, keine Sorge«, sagte sie schnell. »Aber ich habe selbst ein bisschen.« Sie hielt ihm die linke Hand und dort den Ringfinger entgegen. »Von meinem Mann, Gott hab ihn selig. Vor mir trug den Ring seine Mutter - woher sein Vater ihn besorgte, wusste er nicht. Aber ich fände Messing oder Eisen ebenso schön. Es kommt doch darauf an, wer einem etwas schenkt - und zu welchem Anlass. Oder?«
    »Genauso ist es«, sagte Matt. Gern hätte er sich länger mit der bemerkenswerten Frau unterhalten, aber seine Gefährten warteten - und das Raumschiff der Marsianer, dessen Absturzstelle er nunmehr auf wenige Kilometer genau berechnen konnte. Nachdem er mit der Abschrift fertig war, bedankte und verabschiedete er sich.
    »Du strahlst ja so«, wurde er von Aruula unten im Dorf empfangen. »Hast du etwas erfahren, das uns nützlich sein kann?«
    »Das kann man wohl sagen…« Er

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