286 - Der körperlose Herrscher
verfinsterte sich. »Herb is draufgegangen. Ein Fishmanta'kan hat ihm die Beine mit 'nem Blitz zersägt un er is am Morgen am Wundbrand gestorben. Und drei von uns sin noch imma weg.« Ein Schauder überlief den Mann. Seine runden Augen quollen ein Stück aus den Höhlen. »Es war'n Diener vom Orguudoo. Verdammtes Werk des Finsternis.«
Quart'ol erinnerte sich an seine Rolle als Gesandter der Rev'rends und bekreuzigte sich geistesgegenwärtig. »Betet zum HERRN, auf dass er euch vor weiterem Unglück bewahre.«
Der Vorsteher brummte und erwiderte nichts. Offensichtlich war er mit Gottes derzeitigen Schutzleistungen unzufrieden oder hielt es mehr mit Wudan, der heidnischen Gottheit, aber er hatte genug Verstand, beides nicht zu äußern, während ein Mönch der Rev'rends neben ihm ging.
Eine Weile marschierten sie schweigend. Quart'ol musterte die schäbigen Hütten. Viele standen leer, das ganze Dorf wirkte primitiv und stank nach Rauch und Misthaufen. Gut so - das würde seinen eigenen Fischgeruch überdecken.
Die wenigen Menschen, die ihn neugierig musterten, waren mit Heugabeln, Messern oder Kurzschwertern bewaffnet. Er folgte dem Dorfvorsteher einen ansteigenden Weg entlang, auf einen Hügel, der sich über dem Potomac erhob und zum Wasser steil abfiel. Auf der Mitte des Hügels standen drei weitere Holzhütten. Aus der obersten strömte Rauch aus dem Schornstein und zwei zerlumpte Kinder hockten im roten Sand vor dem Haus und flochten an Körben.
Quart'ol sah ein kleines Mädchen mit strahlenden türkisblauen Augen, das vom Boden sitzend zu ihm aufschaute.
Der Vorsteher grinste die Kleine schief an.
»Siehste ma, Kelii, da is Besuch für dich. Bist ne Berühmtheit, weilde den Fishmanta'kan entkommen bist. De Herr hier is extra von Waashton gekommen, von den Rev'rends. Se senden dir ihre Grüße und 'n Geschenk.«
Das Mädchen sah ihn mit großen Augen an und einen Moment fürchtete Quart'ol, es könne von seiner Position auf dem Boden unter seine Kapuze sehen, doch das Kind zeigte keinerlei Anzeichen von Furcht.
»Richtig. Ich habe ein Geschenk für dich.« Quart'ol hob die Bibel aus dem Fundus des Waashton-Verstecks in seiner Hand an. »Und ich brauche deine Hilfe. Wie du sicher weißt, jagen die Rev'rends Dämonen, und sie wüssten gern, wie genau die Fishmanta'kan aussahen, die dich verschleppt haben.«
Das Kind stand auf und ging ins Haus. Zuerst dachte Quart'ol, es würde ihn einfach stehen lassen, und sah verwirrt zum Dorfvorsteher, der nur verständnislos die Hände hob. Doch dann kehrte das Kind mit einer Tierhaut zurück, die vermutlich von einem Wakuda stammte, und breitete sie auf dem staubigen Boden vor der Hütte aus. Ein Mann mit Schwert folgte ihr und eine Frau mit einer Axt. Beide sahen misstrauisch zu Quart'ol.
Quart'ol legte die Bibel beiseite, da das Mädchen keine Anstalten machte, sie entgegenzunehmen. Angespannt beugte er sich über die Tierhaut. Darauf war eine Kerbzeichnung begonnen worden, die eindeutig einen Hydriten zeigte. Er trug eine Rüstung aus Hummerschalen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von den Mar'osianern stammte. In Hykton galt diese Art der Rüstung als primitiv und martialisch. Der abgebildete Hydrit war ohne Zweifel ein Sar'kira.
Das Mädchen sah ihn mit blau schimmernden Augen an. Ihre blonden Haare umrahmten ein zartes Gesicht, das hübsch gewesen wäre, wenn darin nicht eine solche Wut gelegen hätte.
»Fishmanta'kan«, sagte sie und zeigte auf das Bild. Sie hob das Kinn an. »So wie du.«
Ein eisiger Schreck durchfuhr und lähmte ihn. Das Mädchen hatte ihn erkannt! Ehe Quart'ol reagieren konnte, sprang die Frau vor, die wohl die Mutter des Mädchens war, und riss ihm unter dem lauten Protest des Vorstehers die Kapuze vom Kopf.
Obwohl die Tücher sein Gesicht schützten, war der Flossenkamm auf seinem Scheitel deutlich zu erkennen. Entsetzen spiegelte sich auf dem Gesicht des Dorfvorstehers.
»Aber… es spricht… spricht wie einer von uns…«
Der Mann mit dem Schwert riss ein Horn von seinem Gürtel und stieß hinein. Ein dunkler, unheilvoller Ton erklang und hallte über das Dorf.
»Fishmanta'kan!«, schrie die Frau und riss die Axt hoch.
Quart'ol zog den Schockstab und drückte ab. Die Frau taumelte zurück und stürzte zu Boden. Mit fliegenden Blicken sah er sich um. Schon rotteten sich Menschen mit Waffen zusammen. Bis zum Ausgang des Dorfes schaffte er es niemals, sie würden ihm den Weg versperren und ihn massakrieren. Es gab nur einen
Weitere Kostenlose Bücher