2884 - Im Netz der Spinne
Anrufer vor uns hatten? Diese Frage würden wir ihm nicht mehr stellen können. Sein Wissen nahm er mit ins Grab.
War er von den Schergen der Spinne beseitigt worden?
***
Phil machte sich schwere Vorwürfe. Immerhin war er es gewesen, der in der Vorschule Clever Kids laut mit mir über das geplante Treffen mit dem Unbekannten gesprochen hatte. Bei dieser Gelegenheit musste Liz O’Neill seine Worte aufgeschnappt haben. Deshalb war sie ja an der Flushing Avenue überhaupt erst erschienen.
Ich klopfte meinem Freund beruhigend auf die Schulter.
»Weder du noch ich konnten ahnen, dass diese sensationslüsterne Tante hier auftauchen würde. Ich bin in die falsche Gasse gegangen, weil Liz O’Neill dort Geräusche verursacht hat. Wenn ich stattdessen den Latino getroffen hätte, wäre ich wahrscheinlich auch in die Schusslinie geraten.«
»Ich bin natürlich froh, dass dir nichts passiert ist. Trotzdem ist es extrem ärgerlich, dass wir den Mann nicht schützen konnten. Nun werden wir niemals erfahren, was er uns zu sagen hatte.«
Dieser Wortwechsel zwischen Phil und mir fand direkt am Tatort statt. Wir hatten eine Sofortfahndung nach dem Buick Skylark veranlasst. Außerdem waren Cops vom zuständigen Precinct, die Männer des Coroners sowie die Spezialisten der SRD ebenfalls vor Ort. Die Spuren wurden gesichert, die Leiche würde bald abtransportiert werden. Noch gab es keine Erkenntnisse über die Identität des Mannes. Außer einer angebrochenen Packung Kaugummi sowie fünf Dollar und dreißig Cent in bar hatte sich nichts in seinen Taschen angefunden.
Liz O’Neill hatte sich klammheimlich aus dem Staub gemacht. Wahrscheinlich war ihr klar geworden, dass sie mein Nervenkostüm nicht grenzenlos strapazieren durfte. Zeugin des Mordes war sie jedenfalls ebenso wenig gewesen wie ich selbst. Falls sie in der Umgebung etwas Verdächtiges bemerkt hatte, konnten wir sie dazu später immer noch befragen. Momentan war ich einfach nur froh, diese Frau nicht mehr sehen zu müssen.
Wir konnten am Tatort nichts mehr ausrichten, außerdem war es bereits nach ein Uhr morgens. Phil und ich wollten uns ein paar Stunden Schlaf gönnen, bevor der nächste anstrengende Arbeitstag begann.
»Das war doch mal ein Misserfolg auf der ganzen Linie«, knurrte mein Freund, als ich ihn wenig später in Manhattan an der üblichen Ecke absetzte.
Ich konnte Phil nicht widersprechen.
***
Am nächsten Morgen konnte die Scientific Research Division uns wenigstens schon die Identität des Ermordeten präsentieren. Sein Name war Jaime Beltran. Seine Fingerabdrücke befanden sich im System. Beltran hatte nämlich schon zwei Vorstrafen wegen Raub und Körperverletzung verbüßt. Ich öffnete auf meinem PC die elektronische Strafakte.
»Wirf mal einen Blick auf die Familienverhältnisse, Phil. Beltrans Mutter ist die Schwester von – Luisa Rodriguez’ Vater.«
»Dann ist der Tote also der Cousin unseres angeschossenen Kindermädchens? Das kann kein Zufall sein, Jerry.«
Ich stand auf.
»Nein, an solche Glückstreffer glaube ich auch nicht. Lass uns noch einmal ins Bellevue fahren und die Latina-Lady ins Gebet nehmen. Und diesmal kommt sie uns nicht so leicht davon. Es geht schließlich um das Leben von drei unschuldigen Kindern.«
Doch als wir unser Office verlassen wollten, klingelte das Telefon auf meinem Schreibtisch. Ich entschloss mich, das Gespräch noch anzunehmen.
»Agent Cotton.«
Unsere Kollegin Sarah Hunter war am Apparat. Und ihre Stimme hörte sich so an, als ob sie vor Wut kochen würde.
»Jerry, hier ist Sarah. Du wirst es nicht glauben – Luisa Rodriguez ist aus dem Krankenhaus getürmt.«
»Wie bitte?!«
»Du musst mich für eine völlige Versagerin halten, Jerry. Aber ich habe mich die ganze Zeit darauf konzentriert, dass ein Unbefugter in die Intensivstation eindringen könnte. Ich war nicht darauf gefasst, dass die Verletzte stiften geht. Du machst dir keine Vorstellung davon, was auf der Intensivstation während der Nacht los war. Es hat mehrere schwere Verkehrsunfälle mit zahlreichen Verletzten gegeben. Da ging es teilweise drunter und drüber. In dem Durcheinander muss Luisa Rodriguez abgehauen sein.«
»Ich mache dir überhaupt keinen Vorwurf, Sarah. Du konntest wirklich nicht damit rechnen, dass die Verletzte verschwinden würde. Das hätte ich auch nicht für möglich gehalten. Außerdem dachte ich, Luisa Rodriguez sei so schwer verletzt.«
»Das ist sie auch, das hat mir der Doc noch einmal bestätigt.
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