Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2894 - Niemand stribt für sich allein

2894 - Niemand stribt für sich allein

Titel: 2894 - Niemand stribt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
mühsamen Atemzüge stärker.
    Plötzlich erschrak sie. Etwas wie ein Blitz durchzuckte ihr wacher werdendes Bewusstsein. Doch es war kein Blitz wie von einem Gewitter, eher eine jähe Helligkeit. Ein Bild entstand, obwohl sie ihre Augen noch immer nicht zu öffnen vermochte.
    Der Himmel über New York war klar und fast wolkenlos. Vor drei Stunden hatte es noch wie aus Kübeln gegossen. Die Gemüsebeete ringsum glänzten nass und in frischem Grün, der Ackerboden war durchweicht. Nur auf den Gehwegplatten zwischen den Beeten konnten sie gehen, ohne mit den Schuhen im Schlamm zu versinken. Ihr Begleiter hatte ihnen geraten, nicht vom Weg abzukommen.
    Eigentlich hätte Gillian begeistert sein müssen. Mein Gott, hier musste sie sich doch wie zu Hause fühlen – in Pennsylvania. Von dort stammte sie schließlich. Aber nein, sie machte mal wieder ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Dabei kam ein normaler Mensch an diesem Ort aus dem Staunen nicht heraus. Ein Gemüsefeld mitten in New York, groß wie drei Football-Spielfelder und sechs Stockwerke hoch, das war einfach gigantisch. Schon mit den klassischen Penthouse-Gärten hatten die Menschen in der Acht-Millionen-Stadt bewiesen, wie viel Fantasie sie besaßen, wenn es darum ging, sich mit ein bisschen Grün zu umgeben. Von einfachen Blumenbeeten bis hin zu kleinen Dschungellandschaften hatten sie schon alles Mögliche auf ihren Hochhausdächern untergebracht. Doch ganze Äcker – du lieber Himmel, so was hätte man noch vor ein paar Jahren für total absurd gehalten.
    Und jetzt? Jetzt schossen die Preise für abbruchreife Riesenschuppen in astronomische Höhen, weil man auf den Riesendächern Farmland und regelrechte Plantagen anlegen konnte. Rafe, ihr Begleiter, hatte damit nicht wirklich etwas zu tun. Er kannte lediglich jemanden, der damit zu tun hatte. So hatte Rafe Gazzoli sich einen Schlüssel besorgt, um damit anzugeben, dass er berechtigt war, die landwirtschaftliche Fläche auf dem Dach des alten Lagerhauses vorzuführen. Ein kleines Vorprogramm als Auftakt zu der Party, die nebenan, im renovierten Gebäude der alten Nähmaschinenfabrik, stattfinden würde.
    Mit einer ausladenden Armbewegung deutete er auf das kniehohe Grün, das fast die ganze linke Hälfte des Daches einnahm. »Kartoffeln«, sagte er fachmännisch, »alles Kartoffeln. Und auf dieser Seite …«, er wies nach rechts, »Bohnen, Gurken, Kürbisse, Mangold und was weiß ich noch alles. Ich sage euch, Ladys, bald machen wir hier in New York den Bio-Farmern im Hudson Valley Konkurrenz.«
    »Wir?«, wiederholte Deana. Sie war vorausgegangen, blieb nun stehen und drehte sich um. Stirnrunzelnd sah sie den zum Übergewicht neigenden Mann an. Er war nur mittelgroß, das schwarze Haar reichte ihm bis auf den Kragen. Seine braunen Augen leuchteten – wie immer, wenn er herumprahlte.
    »Ja, wir«, bestätigte er. »Ich meine damit uns New Yorker als Gesamtheit. Und die, die unsere Dächer bepflanzen, sind unsere Freunde.«
    »Heißt das …«, Deana schüttelte ungläubig den Kopf, »ihr habt in dem Geschäft auch schon eure Finger drin? Inoffiziell, mit prozentualer Beteiligung und so?«
    Gazzoli grinste breit. »Keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Natürlich mischen sie mit«, sagte Gillian missmutig. »Gibt es irgendwas Gewinnbringendes, wo sie es nicht tun? Vergiss nicht, Deana, unser freundlicher Gastgeber hat sizilianische Vorfahren.«
    »Immer diese Vorurteile!«, antwortete Rafe empört. »Lest ihr denn keine Zeitungen? Die Pressemitteilungen des FBI sind ganz klar: Eine Mafia gibt es nicht mehr, weder in New York noch in den gesamten Vereinigten Staaten. Auch deshalb muss mit der Diskriminierung Schluss sein. Wenn einer einen italienischen oder sizilianischen Namen hat, bedeutet das noch lange nicht, dass er ein Mafioso ist.«
    »Mir kommen die Tränen«, sagte Deana und erwiderte sein Grinsen. »Du kannst einem wirklich leid tun. Bestimmt hattest du auch eine schwere Kindheit.«
    Er lachte, doch in seinen Augen entstand ein Glimmen, das seiner Heiterkeit widersprach. Er wurde ernst und erklärte: »All right, Ladys, das war’s dann mit der Besichtigung. Jetzt geht’s rüber zum Epizentrum des Partygeschehens. Aber was sage ich, ein Hurrikan ist nichts dagegen! Ihr werdet sehen.«
    Deana lief voraus, auf die Nordostecke des Gemüseackers zu. Die kleine Brücke, die zum Nachbargebäude führte, bestand aus Stahl. Trotzdem erinnerte sie an eine jener schwankenden Seilbrücken, wie man sie

Weitere Kostenlose Bücher