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2894 - Niemand stribt für sich allein

2894 - Niemand stribt für sich allein

Titel: 2894 - Niemand stribt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
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aus Expeditionsfilmen kannte. Deana verharrte an der Dachkante und blickte in den Abgrund zwischen den beiden Gebäuden.
    »O mein Gott, ist das hoch!«, rief sie und gab ein übermütiges Jauchzen von sich, allein um ihrer Freundin zu zeigen, dass sie, Deana, Witze machen konnte, weil sie nun mal keine Angst hatte – am allerwenigsten vor diesen paar Stockwerken, die es hier in die Tiefe ging.
    »Und da müssen wir hinüber?«, hörte sie Gillian hinter sich fragen.
    Klar, sie ließ mal wieder den Angsthasen raus. Rafe erwiderte etwas, aber Deana hörte nicht mehr hin. Der Teufel ritt sie, als sie prahlerisch lachend auf die Brücke hinauslief und rief : » Gillian hat Höhenangst! Gillian hat Höhenangst!«
    Sie wusste, dass sie sich wie ein Kind verhielt, doch sie wollte ihrer Freundin nur helfen. Bestimmt wurde Gillian bei ihrem Ehrgeiz gepackt, und sie riss sich zusammen und schüttelte ihre Angstzustände ab. Über die Brücke musste sie so oder so. Sie hatten sich nun mal gemeinsam für diesen Weg entschieden.
    Als sie über die Türschwelle sprang, erschrak Deana bis ins Mark. Gillians Schrei ging ihr durch und durch. Deana warf sich herum, musste sich am Türrahmen festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. In ihrer Drehbewegung sah sie die noch leeren Partyräume wie in einem huschenden Schleier und dann, ebenso verschwommen, erblickte sie das Geschehen auf der anderen Seite der Brücke.
    Gillians Schrei wollte nicht enden. Ihre Arme und Beine wirbelten empor, während sie über das dünne Geländer kippte. Und Rafe, o mein Gott, was tat Rafe? Er wich vom Geländer zurück! Warum, in aller Welt, beugte er sich nicht hinüber? Warum fasste er nicht nach? Noch hätte er Gillian festhalten und zurückreißen können, aber er ging in die Knie und kam wieder hoch. Deana konnte nicht genau sehen, was er mit den Händen machte, doch es hatte den Anschein, als würde er Gillians Beine emporwerfen und … nachhelfen?
    Sie stürzte in die Tiefe, die sie so fürchtete.
    Ihr Schrei gellte anhaltend, verstärkte sich zwischen den Gebäudewänden und wurde lauter und schriller.
    Deana wandte sich ab, schlug die Hände vor das Gesicht. Das Entsetzen packte sie wie mit einer eisigen Kralle. Der dumpfe Aufschlag, mit dem alles endete, setzte sich fort.
    ***
    Erst nach einem Moment wurde Deana klar, dass es Schritte waren, die sie hörte. Anfangs klangen die Schritte eher weich wie von Kunststoffsohlen auf Beton oder Stein. Dann, als sie näher kamen, änderte sich das Geräusch; nun schien der Untergrund aus Holzplanken über einem Hohlraum zu bestehen. Deana erschrak von neuem. Sie selbst lag offenbar auf diesem Holzboden, denn das Rauschen, das sie zuvor schon wahrgenommen hatte, war jetzt direkt unter ihr, und es klang eindeutig hohl. Aber das Rauschen war auch über ihr, irgendwie hoch oben.
    Ihr wurde unbehaglich zumute, und sie begann zu frösteln.
    Als die Schritte ganz nahe waren, setzte alles auf einmal und in voller Stärke ein – ihre Sehkraft, ihr Gehör, ihr Geruchssinn und ihre Beweglichkeit. Arme und Beine fühlten sich an, als wären sie zu ihr zurückgekehrt. Sie vermochte die bis eben noch verklebten Augenlider wieder zu öffnen, und das Rauschen, das ihren ganzen Kopf ausgefüllt hatte, verringerte sich in ihren Ohren auf normale und erträgliche Lautstärke.
    Ja, sie lag auf diesen Holzplanken.
    Doch sie konnte aufstehen.
    Sie staunte, als ihr diese Tatsache bewusst wurde. Sie schwankte leicht, aber gleich darauf stand sie sicher auf beiden Beinen. Erst jetzt registrierte sie, dass etwas hinter ihr geklirrt hatte. Sie fasste sich an die Hüften, tastete mit den Händen auf den Rücken und stieß auf eine Kette. Die Kette war fest um ihre Taille gezurrt, und das Ende lief irgendwohin, auf den Boden.
    Halbdunkel umgab sie. Von verschiedenen Stellen drang Tageslicht durch Ritzen. Es war eine Art Halle, auf jeden Fall ein größerer Raum, in dem sie sich befand. Ihre Augen gewöhnten sich an das Halbdunkel, und da sah sie ihn. Diesmal erschrak sie nicht, denn letzten Endes hatte sie seine Schritte gehört. Dass er es war, kam ihr nur logisch vor.
    Rafe Gazzoli.
    Drei Schritte von ihr entfernt war er stehen geblieben, als fürchtete er, in ihre Reichweite zu gelangen.
    ***
    Es wurde nicht besser. Radiomoderatoren sprachen bereits von sintflutähnlichen Zuständen, als wir uns auf den Weg machten. Vor der Abfahrt, noch in der trockenen Tiefgarage, zogen wir unsere wasserdichten Einsatzanzüge

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