2896 - Die Wahrheit bringt den Tod
Mullvaney wissen.
»Eine gute Idee.« Belding strich sich über den Nasenrücken. »Such diesen Typen. Den Chemiker. Wie heißt er eigentlich?«
»Waters. Dr. Henry Waters.«
Belding nickte. »Gut. Finde heraus, ob es stimmt, was die Nutte gesagt hat. Und wenn es stimmt, dann bring Waters zum Koreaner.«
***
Mullvaney hatte drei Henry Waters im New Yorker Telefonbuch gefunden, und nach einer Recherche im Internet hatte er denjenigen ausfindig gemacht, auf den die Beschreibung von Fanny Rampling passte. Mullvaney rief bei ihm an. Eine Frauenstimme meldete sich. »Waters.«
»Guten Tag, Mistress Waters. Mein Name ist James Elliott, ich bin Pharmareferent der Firma Vivid Medical Service . Ihr Mann hat einige Substanzen bei uns bestellt. Er ist leider auf der Arbeit und auch über sein Handy nicht zu erreichen, und da es dringend ist, habe ich nun gedacht, ich probiere es bei ihm zu Hause. Entschuldigen Sie bitte vielmals die Störung.«
»Nein, nein, schon gut«, sagte Mrs Waters beschwichtigend. Sie zögerte ein wenig und suchte offenbar nach der richtigen Formulierung »Mein Mann ist zurzeit nicht zu Hause erreichbar.« Ihr schossen Tränen in die Augen, und sie musste tief durchatmen, um ihre Stimme kontrollieren zu können. »Er wohnt vorübergehend in einem Apartment in der Pacific Street in Brooklyn. Telefon hat er dort leider nicht.«
»Okay, dann werde ich versuchen, ihn morgen auf der Arbeit zu erreichen. Haben Sie vielen Dank, Mistress Waters.«
Mullvaney legte auf. In einem Punkt hatte er nicht gelogen. Er musste Waters dringend sprechen. Belding hasste es, wenn er auf etwas warten musste. Sein Chef war nicht nur sehr intelligent, sondern auch sehr ungeduldig. Und Mullvaney wollte sich nicht mit Belding anlegen. Noch nicht. Irgendwann wollte er die Geschäfte von Belding übernehmen. Aber der passende Zeitpunkt war noch nicht gekommen.
Mullvaney lenkte seinen Wagen über die Manhattan Bridge, die Lower Manhattan und Brooklyn miteinander verbindet. Im East River spiegelten sich die hohen Gebäude, die entlang des FDR Drive standen. Doch so etwas nahm Mullaney nicht wahr. Seine Sinne waren zwar geschärft, aber nur auf das geeicht, was zum Überleben und zum Verbessern seiner Lebenssituation notwendig war. Er stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Der Vater hatte früh die Familie verlassen, und seine Mutter war mit den sechs Kindern überfordert. Gewalt war schon früh ein Thema in der Familie gewesen, und Gewalt sollte auch sein weiteres Leben bestimmen. Das Geschäft mit der Angst hatte er von Grund auf gelernt.
***
Mullvaney parkte den Wagen direkt vor der Tür des Hauses. Sollte es Schwierigkeiten geben, wollte er mit Waters keine unnötig langen Strecken zurücklegen müssen. Er stieg die Stufen zur Eingangstür empor und schaute sich dabei unauffällig um. Waters wohnte in einer Gegend, in der es nicht weiter auffiel, wenn jemand verschwand. Das vereinfachte die Lage ungemein. Selbst wenn die Leute ein Verbrechen sahen, sagten sie nichts. Sie wollten ihre Ruhe haben und vermieden es, in etwas verwickelt zu werden.
Die Eingangstür war unverschlossen. Mullvaney trat ein. Als Erstes nahm er den intensiven Geruch von Brathähnchen wahr. Er fragte einen Jugendlichen, der im Treppenhaus herumlungerte, nach Waters’ Wohnung. »Keine Ahnung«, sagte der Latino. Weiter kam er nicht. Mullvaney hatte ihn am Kragen seiner Baseballjacke gepackt und in die Höhe gestemmt. Nachdem die Beine des Jugendlichen den Bodenkontakt verloren hatten, war er bereit, Auskunft zu geben. »Waters wohnt im dritten Stock, Apartment 34«, sagte er mit erstickter Stimme.
Mullvaney nickte, machte aber keine Anstalten, den Jugendlichen wieder abzusetzen. Erst als der leise zu schluchzen begann, ließ Mullvaney von ihm ab. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging Mullvaney die Treppe hinauf.
Die Türen der Apartments waren mit weißen Zahlen bemalt. Das Apartment 34 lag am Ende des Korridors im ersten Stock. Mullvaney lauschte an der Tür. Der Fernseher lief. Die Kommentare eines hektischen Sportreports waren zu hören. Vermutlich sah sich Waters die Finals im Basketball zwischen den Miami Heat und den Boston Celtics an. Der Ausgang des Spieles interessierte auch Mullvaney. Er hatte Geld auf die Heat gesetzt, die im Vorjahr nur knapp in den Finals gescheitert waren und ihr Team zur neuen Saison noch verstärkt hatten. Er zwang sich, diese Gedanken zu unterdrücken und sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren.
Mullvaney drehte
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