2898 - Leichen brauchen kein Alibi
begleitete Phil und mich zum Verhörraum. Dort beriet er sich zunächst mit seinem Mandanten, bevor er uns hereinrief.
»Welche Beweise haben Sie eigentlich dafür, dass Lee Fang diesen Jake Reed ermordet haben soll? Mein Mandant gibt an, ihn noch nicht einmal gekannt zu haben.«
»Die Beteiligung Ihres Mandanten an der Einfuhr von gefälschten Markenprodukten sowie an Schüssen auf FBI-Agents im Dienst können wir problemlos nachweisen«, betonte ich. »Der Hinweis auf den Container mit der Ware kam von Jake Reed. Daher liegt die Vermutung nahe, dass sein Tod ein Racheakt von Lee Fang und Mike Turner war.«
»Eine Vermutung ist aber noch kein Beweis«, meinte Dr. Thomas Kent spitzfindig. »Jedenfalls können Sie diesen Mord meinem Mandanten nicht in die Schuhe schieben.«
Ich blickte auf die Uhr.
»In diesen Minuten wird ein Durchsuchungsbeschluss unterschrieben, mit dem unsere Kollegen die Wohnungen von Lee Fang und Mike Turner durchkämmen werden. Ich bin sicher, dass sich dort Belastungsmaterial finden wird. Im Übrigen bleibt Ihr Mandant wegen der anderen Anklagepunkte sowieso in Untersuchungshaft.«
»Das wird sich zeigen. Morgen ist der Haftprüfungstermin, G-men. Und ich werde eine Freilassung auf Kaution beantragen.«
Diese Produktpiraten hatten zweifellos genug Geld in der Hinterhand, um auch eine größere Kautionssumme aufbringen zu können. Wir konnten nur versuchen, bis zum nächsten Tag noch mehr Beweise oder Zeugen zu finden. Die Mordanklage stand nämlich bisher wirklich auf tönernen Füßen. Das hatte der Anwalt ganz richtig durchschaut.
***
Noch lagen uns die Ergebnisse der Hausdurchsuchungen nicht vor. Daher befassten wir uns zunächst mit dem zweiten Verdächtigen Mike Turner, nachdem Kent sich wieder aus dem Staub gemacht hatte.
Zuvor hatten wir abermals mit der Profilerin gesprochen. Aber Laura Darro konnte uns momentan nichts weiter über Lee Fang sagen.
»Ich nehme mir seine Kriminalakte vor. Vielleicht stoße ich auf einige Hinweise, die für euch hilfreich sein könnten.«
Mit diesen Worten stürzte sich die junge brünette Kollegin in ihre Schreibtischarbeit. Phil und ich hingegen traten zu Mike Turner in den anderen Verhörraum. Und bei diesem Verdächtigen benötigten wir nicht die Mithilfe einer Expertin für Körpersprache.
Jeder Frischling in der ersten Ausbildungswoche auf der FBI-Akademie hätte erkennen können, dass Mike Turner hochgradig nervös war. Er spielte pausenlos mit seinen Fingern, hielt sie unablässig in Bewegung. Daher klirrten seine Handschellen. Außerdem zuckte sein linkes Augenlid in unregelmäßigen Abständen. Turners Blick irrlichterte unruhig durch den Verhörraum.
Wieder stellten wir uns vor und wiesen den Verhafteten auf seine Rechte hin. Aber Turner winkte nur ungeduldig ab.
»Den Sermon können Sie sich sparen, Agent Cotton. Ich bin schon oft genug eingebuchtet worden, ich kenne das alles. Mich interessiert nur eine Sache: Komme ich in ein Bundesgefängnis?«
»Das habe nicht ich zu entscheiden, ich bin kein Richter. Wieso interessiert Sie das so sehr?«
»Einfach so«, meinte Turner achselzuckend. Ich glaubte ihm kein Wort. Aber ich wollte einstweilen nicht auf dieser Sache herumreiten. Stattdessen zeigte ich ihm das Foto von Jake Reed.
»Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen?«
Turner riss die Augen auf. Sein Gesichtsausdruck zeigte mir ganz eindeutig, dass er ihn erkannte. Doch im nächsten Moment schüttelte er heftig den Kopf.
»Nein, Agent Cotton. Den Typen habe ich noch nie gesehen. Wer soll das sein?«
Auch Phil hatte gemerkt, dass Turner log wie gedruckt. Das wurde mir klar, als mein Freund jetzt das Wort ergriff.
»Wenn Sie das FBI verschaukeln wollen, dann drehen Sie sich damit selbst einen Strick. Oder glauben Sie, so etwas kommt vor Gericht bei der Jury gut an?«
»Ich habe den Kerl noch nie gesehen«, beharrte Turner.
Ich erklärte dem Verdächtigen, wer Jake Reed gewesen war und dass er nicht mehr lebte – obwohl ich in diesem Moment sicher war, dass Turner darüber Bescheid wusste. Er blieb bei seinem Leugnen.
»Ich habe diesen Reed nicht umgelegt. Okay, in der Sache mit den falschen Markenklamotten hänge ich mit drin. Das gebe ich zu. – Komme ich denn nun in einen Bundesknast oder nicht?«
Turners Gesicht zeigte nun einen hoffnungsvollen Ausdruck. Warum war er so wild darauf, seine Strafe in einem Bundesgefängnis zu verbüßen? Natürlich hätte ich ihm diese Frage stellen können, aber er hatte ja
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