29 - Im Lande des Mahdi III
Wirt setzte seinen Bericht fort, und ich erfuhr noch folgendes:
Die Kelhur hätten schon meinetwegen heut ihr Lager verlassen; der Umstand, daß die Bebbeh in ihre Hände gefallen waren, trieb sie noch rascher fort, um diese so bald wie möglich dem Tode entgegenzuführen. Es war das für die dreihundert Krieger ein Freudenritt, der keine Minute aufgeschoben werden sollte. Jetzt lagen sie oben unterhalb der Musallah im Wald und hatten Gericht über die der Blutrache Geweihten gehalten. Schir Samurek hatte diesen mit den heiligsten Schwüren versichert, daß es für sie keine Rettung gebe. Nach gewöhnlichem Ermessen gab es allerdings keine; aber Ssali Ben Aqil hatte sich, sonst an allem verzweifelnd, an einen Gedanken geklammert, der ihm plötzlich gekommen war, als er vernahm, daß wir höchstwahrscheinlich nach unsere gestohlenen Pferden suchen würden.
„Noch sind wir nicht tot“, hatte er gesagt. „Wenn Kara Ben Nemsi kommt und euch findet, wird er uns befreien!“
„Euch, seine Todfeinde?“ hatte der Scheik höhnisch gerufen. „Er würde mich vielmehr bitten, euch noch mehr zu martern, als ich mir vorgenommen habe.“
„Das wird er nicht, denn er ist ein Christ?“
„Ein Christ? Ein Christ ist ein Hund, und ein Hund riecht gern Blut. Diese Hunde, welche einen Menschen aus en Nasirah ihren Gott nennen, haben sich von ihm sagen lassen, daß man sogar die Feinde lieben soll; aber sie gehorchen ihm nicht, denn da sie sich untereinander bestehlen, betrügen, belügen und alle Fremden bedrängen, übervorteilen und bekriegen, können sie unmöglich imstande sein, diejenigen zu lieben und ihnen Gutes zu erweisen, die ihnen nicht bloß fremd, sondern wirkliche Feinde sind. Dieser Kara Ben Nemsi würde mit Vergnügen zusehen, daß die Bären euch zerreißen!“
„Nein, denn er ist ein wahrer Christ und hat schon oft und vielen seiner Feinde Gutes erwiesen!“
„So rufe ihn doch herbei! Da werden wir sehen, ob er in Wirklichkeit dem falschen Propheten aus en Nasirah gehorcht!“
„Ja, ich werde ihn rufen; ich werde Allah bitten, ihm den Weg hierher zu zeigen!“
„Ich gebe dir einen besseren Rat. Kara Ben Nemsi mag als Christ von unserm Allah nichts wissen; du mußt also zu seinem Gekreuzigten beten, wenn du Erhörung finden willst!“
In dieser Weise hatte er weitergehöhnt und dann hinzugefügt:
„Wie wenig ich diesen Christenhund fürchte und ob er euch retten könnte, sollst du gleich erfahren. Ich habe ihm sagen lassen, daß ich der Räuber seiner Pferde bin, und er wird uns folgen; aber wenn er unsere Spuren wirklich finden und es wagen sollte, bis hierher zu kommen, so werden die Wächter, welche ich nachher ausstelle, ihn ergreifen und ich werfe ihn mit euch den Bären vor. Nun bete meinetwegen zu Allah oder zu el Mesiah (Der Messias, Christus); dein Gebet wird in die Luft gesprochen sein!“
Dann war über die andern Gefangenen beraten worden. Der Beschluß hatte gelautet: Sie sollen zusammen ein Lösegeld von zwanzigtausend Piastern geben und werden so lange festgehalten, bis dieses Geld bezahlt worden ist; der Wirt soll gehen und das Geld holen, um es nach der Musallah el Amwat zu bringen; bringt er es binnen drei Tagen nicht, oder stellt sich bei der Zahlung eine Hinterlist heraus, so werden sie getötet. – Kurz nachdem diese Bestimmungen getroffen worden waren, hatte man den Wirt erst durchgepeitscht und dann fortgejagt, natürlich ohne Pferd.
Er war vollständig verstört und niedergeschlagen davongegangen, ohne daß es eine Hoffnung gab; denn nun war nicht nur das gestohlene Geld verloren, sondern er sollte auch noch einen Teil des Lösegeldes aufbringen, was ganz unmöglich war. Seinen Ruin vor Augen sehend und gewiß kein Held im Glauben und Gottvertrauen, hatte er zur Schnur gegriffen und war nur durch unsere Dazwischenkunft abgehalten worden, sich selbst den Tod zugeben.
„Jetzt, o Emir“, fügte er seinem Bericht hinzu, „hast du alles vernommen, was ich dir sagen konnte. Was meinst du dazu? Hältst du es für möglich, daß ich mein Geld wiedererhalte?“
„Was ich meine, ist zunächst, daß der Raki einen bösen Geist in sich trägt, mit dem man sich nicht abgeben darf!“
„Der Raki? Wie kommst du auf den Raki?“
„Weil er die Schuld an dem trägt, was dir jetzt geschehen ist.“
„Was hat mein Raki mit dem Häuptling der Kelhur zu tun?“
„Frag doch nicht so dumm! Hättest du gestern nicht so viel Raki getrunken, so hättest du nicht mit Aqil von dem
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