29 - Im Lande des Mahdi III
Versteck deines Geldes gesprochen, und es wäre dir nicht gestohlen worden; also ist auch der Raki daran schuld, daß du in die Hände Schir Samureks gefallen bist und dich jetzt aufhängen wolltest. Du mußt zugeben, daß dich der Schnaps zum Selbstmord getrieben hat!“
Er schwieg, weil er einsah, daß ich die Wahrheit gesagt hatte, und sich doch nicht selbst auch anklagen wollte. Ich fuhr fort:
„Wenn du dem Raki so ergeben bleibst wie jetzt, wird er dir noch viel Elend bringen; er frißt deine Seele und verzehrt deinen Körper. Wenn du ihm aber entsagst, wirst du Glück und Freude erleben und einst ohne Wanken über Es Ssiret, die Brücke des Todes, zum ewigen Leben gehen. Bedenke, daß diese Brücke nicht breit ist, sondern so schmal, daß Mohammed sie mit der Schärfe einer geschliffenen Säbelklinge vergleicht. Wie will ein Mensch, dessen Seele noch nach dem Tod voller Raki ist, über diese Brücke gelangen, ohne von ihr hinab in die gähnenden Abgründe der Hölle zu stürzen!“
Indem ich nach christlichen, überhaupt europäischen Begriffen lächerlich sprach, bequemte ich mich der Anschauungs- und Ausdrucksweise des Mannes an, dem meine Warnungen galten. Sie verfehlten ihren Zweck auch wirklich nicht, denn er antwortete:
„Oh, schweig davon, Emir! Deine Worte lassen mich schaudern!“
„Du würdest in diesem Augenblick noch mehr schaudern, wenn du das grauenhafte Werk, welches du vorhin hier an diesem Baum plantest, wirklich ausgeführt hättest, denn jetzt wankte dein Geist, mit der mordenden Leine am Hals, über die Brücke des Todes; der Raki würde deine Füße gleiten lassen, und du stürztest hinunter in die ewig brodelnden und nie verlöschenden Flammen der Dschehennah, welcher du unrettbar verfallen wärest! Muß dein Herz nicht beben, wenn du daran denkst?“
„Oh, Emir, deine Worte treiben mir den Schweiß der Angst und des Entsetzens aus dem Leib!“ antwortete er, sein Gesicht verhüllend.
„So rate ich dir, von jetzt an das Getränk zu meiden, welches dich und jeden, der sich dem Trunk ergibt, verderben muß!“
„Ich werde es tun! Ja, Herr, ich werde es ganz gewiß tun!“
„Das ist aber nicht so leicht, wie du vielleicht denkst. Wen die Geister des Schnapses einmal ergriffen haben, den wollen sie nicht loslassen, den halten sie fest mit ihren Schlangenarmen; es gibt da einen Kampf, einen schweren Kampf; aber der Sieg ist dann auch um so größer und beglückender. Willst du diesen Kampf versuchen?“
„Ich will es, Emir! Ich verspreche dir, daß ich tapfer kämpfen werde.“
„Und ich nehme dein Versprechen an. Du wirst schon viele Betrunkene gesehen haben, aber ohne sie mit den richtigen Augen zu betrachten und ohne sie in der rechten Weise zu beurteilen. Der Sukri (Trunkenbold) ist kein Mensch mehr, sondern nichts weiter als ein wandelndes Faß, welches täglich vollgegossen wird, bis es, vom Raki ganz und gar zerfressen, elend auseinanderfällt. Auch dich hat er schon so sehr angenagt und angefressen, daß dein Zusammenbruch in kurzer Zeit erfolgen muß, wenn du dich nicht heute mit aller Kraft zusammenraffst!“
„Ich werde nicht mehr trinken; hier hast du meine Hand darauf!“
Er hielt mir die Hand hin. Ich nahm sie jetzt noch nicht, sondern sprach weiter:
„Schau den Trunkenbold an, wenn er sich früh vom Lager erhebt! Sein Kopf schmerzt ihm; seine Hände und Füße zittern; sein Angesicht ist verstört, und er sieht mit glasigen Augen in die Welt hinein. Sein Weib und seine Kinder haben keinen freundlichen Gruß für ihn, weil sie ihn verachten und weil sie wissen, daß er sie nicht liebt und daß ihm der Schnaps höher steht als ihr Glück und ihr Wohlergehen. Freunde hat er nicht, denn die Bekannten, die mit ihm dem Raki frönen, sind keine Freunde, sondern ebenso wandelnde Fässer, ohne Herz und ohne Seele, grad wie er. Die Verwandten bemitleiden oder hassen ihn, und die Nachbarn lachen über ihn. Es ist öde in seinem Innern und öde rings um ihn her. Er denkt nicht an Allah und an seine Pflichten; er vergißt die fünf Gebete des Tages und die Feier der heiligen Zeiten. Sein Bauch ist wie mit brennendem Pech gefüllt und sein Magen ausgebrannt wie das Gemäuer einer Hütte, welche die Feuerbrunst verzehrte. Darum verlangt sein trockener Schlund immer wieder und schon in der Frühe nach dem Getränk des Teufels; aber wenn er es verschlungen hat, liegt es ihm wie Blei in den Gliedern; er verliert die armseligen Reste des Verstandes, den Allah ihm verliehen
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