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29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wieder zu, lieber Halef, sonst kommt der Bär und springt hinein. Weit genug dazu hast du ihn offen.“
    „Spotte nicht auch noch, Sihdi! Warum soll mir der Mund nicht offenstehen, wenn ich staune? Wenn ich nicht mehr staune, fällt er ganz von selbst wieder zu. O Wunder, o Fügung! Wir befinden uns auf dem Weg nach der Kapelle der Toten! Das scheint unser Kismet, unser Fatum zu sein. Wenn ich nur wüßte, was wir dort oben sollen!“
    „Das fragst du noch?“
    „Natürlich! Weißt du es denn?“
    „Ja.“
    „Nun, was?“
    „Wir sollen das Gespenst von seinem Bärenfell erlösen.“
    „O Verwegenheit, o Hohn! Du spottest noch immer, Effendi! Mir aber ist es auf dem Rücken kalt wie Eis, und ich weiß wahrhaftig nicht, wozu ich mich entschließen werde.“
    „Entschließen! Wie meinst du das?“
    „Nun, wenn der Bär gelaufen kommt, ob ich da fliehen oder auf ihn schießen soll. Ist er wirklich ein Bär und ich laufe fort, so lachst du mich aus, und ich habe mich bis zum Tod meiner Angst zu schämen. Ist er aber ein Geist und ich schieße auf ihn, so geht ihm die Kugel durch den Leib, ohne ihn zu verletzen, und was dann aus mir werden wird, das weiß nur Allah allein.“
    „Halef, Halef! Wenn du auf den Geist schießt, geht ihm die Kugel durch den Leib! Geist und Leib! Welch ein Widerspruch das ist! Bin ich denn so lange ganz umsonst dein Lehrer und Berater gewesen? Hast du nichts von mir gelernt? Wohnt wirklich noch der dumme Aberglaube der früheren Zeit in dir? Sag mir doch, für wen der Priester damals gestorben ist!“
    „Für seinen Gott und für seinen Glauben, Effendi.“
    „Wie nennt man solche Leute?“
    „Schuhada (Märtyrer).“
    „Was sagt der Koran, von unserer heiligen Schrift gar nicht zu sprechen, von diesen Schuhada?“
    „Daß sie direkt vom Tod in den Himmel eingehen.“
    „Verstehe mich wohl! Ich spreche, um dir das Verständnis zu erleichtern, wie ein Moslem zu dir. Sogar nach der Ansicht der Mohammedaner geht ein Schahid direkt in den Himmel ein, zur Belohnung für die Leiden und Martern, die er ausgestanden hat. Diesen frommen Priester aber soll Gott für seinen Märtyrertod in den Pelz eines Bären verbannt haben! Würde das nicht anstatt eines Lohnes eine fürchterliche Strafe, anstatt des Himmels eine Hölle sein?“
    Er öffnete wieder den Mund und sah mich eine Weile mit weit offenen Augen an.
    „Da staunst du nun schon wieder!“ lächelte ich.
    „Ja, Sihdi, ich staune abermals“, nickte er.
    „Worüber jetzt?“
    „Über die Vortrefflichkeit deines Beweises, dem ich nicht widerstehen kann. Allah insaf oder Allah el adala – Gott ist die Gerechtigkeit, sagen wir.“
    „Wie würde es aber mit Gottes Gerechtigkeit in diesem Falle stehen?“
    „Wenn der Bär ein Geist wäre, so würde Allah nicht gerecht sein; da es aber unumstößlich und unanfechtbar feststeht, daß Allah gerecht ist, so – so – so – – –“
    „Nun weiter, weiter!“
    „– – – so kann der Geist kein Bär und also der Bär auch kein Geist sein.“
    „Gut. Mag also der Bär, der wirklich ein Bär ist, auch in deinem Kopf ein Bär sein und bleiben! Bist du nun überzeugt, Halef?“
    „Ja, Effendi. Du bist, wie in allem, auch in den Regeln der Mantik (Logik) unüberwindlich und hast mein an diesem Bären erkranktes Gehirn im Nu wieder gesund gemacht. Nun mag er immer kommen; ich werde sofort und ohne mich zu besinnen auf ihn schießen!“
    „Das Schießen überlaß lieber mir. Die kurdischen Bären sind keine abgehetzten Isabellbären vom Hauran und vom Libanon. Sie werden wenig gestört, fast gar nicht gejagt und also sehr groß und alt. Die Galläpfelsammler haben ja von der ungeheuren Größe dieses Exemplars gesprochen. Eine Kugel aus deiner Flinte würde ihn nicht töten, sondern nur zur Wut reizen. Und ferner mußt du bedenken, daß wir es jetzt unterlassen müssen, unsere Anwesenheit durch Schüsse zu verraten. Übrigens kommt er jetzt noch nicht gelaufen und wird wahrscheinlich auch nicht gelaufen kommen. Wir wissen es ja nicht einmal genau, sondern denken es nur, daß wir uns jetzt auf dem Wege zur Musallah el Amwat befinden. Die Hauptsache ist, daß du überhaupt einen Geist im Bärenfell nicht mehr für möglich hältst.“
    „Weder in einem Bären- noch in irgendeinem andern Fell, Effendi. Ich habe eingesehen, daß ein Geist in einem Fell undenkbar ist. Einen Geist kann man weder sehen noch fühlen oder greifen. Wenn ich ihm das Fell abzöge, was würde da wohl

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