29 - Im Lande des Mahdi III
Ich glaube, dir alle Hoffnung mitgeben zu können, daß unser Abenteuer einen guten Ausgang nimmt. Wir sind nicht unerfahren in solchen Sachen und brauchen jetzt nur noch zu erfahren, wie der Ort und seine Umgebung beschaffen ist, an welchem sich die Kelhur gelagert haben. Ist es dir möglich, ihn zu beschreiben?“
„Ja, dieses Wasserbett führt jetzt steiler an als bisher. Da, wo es sich teilt, folgt ihr dem Arm rechts, der auch viele Windungen macht und immer schmaler wird, bis ihr auf eine kleine, ebene Wiese kommt, die auf drei Seiten vom Wald umgeben ist. Auf der vierten Seite steigt ein Fels fast senkrecht auf, von welchem die Quelle herunterstürzt, indem sie einen schmalen Schellal (Wasserfall) bildet. Da seht ihr oben die Musallah el Amwat stehen, in welcher die Geister wohnen und in der heut in der Nacht Aqil und sein Sohn von den Bären gefressen werden sollen. Hinter der Kapelle und etwas höher noch als sie, ist einst eine Steinwand eingestürzt, die nun ganz wirr in vielen Trümmern liegt, in denen sich das Lager der Bären befindet.“
„Bären. Es gibt also nicht nur einen, sondern mehrere dort?“
„Ja.“
„Hm! Die Paarungszeit ist längst vorüber, und wenn die Bärin geworfen hat, leidet sie den Bären nicht mehr bei sich, weil er kein guter Vater ist, sondern die lieblose Neigung hat, seine Kinder zu verzehren. Ich bin also der Meinung, daß es sich nicht um ein Bärenpaar, sondern um eine Bärin und ihre Jungen handelt.“
„Das weiß ich nicht; aber der Dubb, den man da oben gesehen hat, soll ein Dubb el Chulud (Bär der Unsterblichen) sein, der seit der Ermordung der Christen bei der Musallah wohnt und in dieser langen Zeit immer gewachsen und dadurch so groß geworden ist, daß er einen Menschen zweimal überragt. Es ist der Geist des Priesters dieser Christen, und sein Fell soll wegen dieses hohen Alters die Weiße des Schnees besitzen. Sein Magen muß so groß sein, daß Aqil und sein Sohn in kurzer Zeit darin verschwinden werden. Effendi, wenn du dich auch nicht vor den Kelhur fürchtest, so nimm dich wenigstens vor diesem Ungetüm in acht! Mein Herz hegt den Wunsch, dich in Khoi wiederzusehen, was aber nicht geschehen kann, wenn er dich zu den zwei Bebbeh auch mit hinunterschlingt!“
„Was das betrifft, so mach dir keine Sorge! Ich bin ein Bissen, den selbst ein Bär nicht so leicht hinunterbringt, zumal wenn er vorher schon zwei Kurden vom Stamm der Bebbeh genossen hat. Über den unsterblichen Dubb el Chulud habe ich nun genug erfahren; eine Hauptsache ist jetzt noch, zu wissen, wo die Kelhur lagern. Wohl auf der kleinen Wiese, von welcher du gesprochen hast?“
„Nein, denn die ist zu moorig dazu. Von der Wiese kommt, wieder rechts, ein ganz dünnes und klares Wasser herab. Wenn du diesem folgst, so gelangst du weiter oben an einen freien, rings vom Wald eingefaßten Platz, in dessen Mitte eine kleine Birka (Teich) liegt, welche den Quell des Wassers bildet. Das ist die Stelle, wo sich die Kelhur gelagert haben.“
„Ist der Wald dort dicht?“
„Ja.“
„Gibt es zwischen ihm und der Birka einen sehr breiten Raum?“
„Nein; der Platz ist klein, so daß die Kurden ganz rund um die Birka liegen müssen.“
„Mit ihren Pferden? Oder haben sie die irgendwo anders untergebracht?“
„Sie befinden sich auch dort und sind, nachdem sie getränkt worden waren, rings an den Bäumen angebunden worden.“
„So brauche ich nichts mehr zu wissen, und du kannst fortreiten, freilich ohne Sattel, denn unser Lederzeug brauchen wir selbst.“
„Aber dein kostbares Reschma darfst du doch keiner Gefahr aussetzen! Wenn es dir nun die Kelhur stehlen! Ist es nicht viel besser, daß ich es nach Khoi nehme?“
„Nein. Es ist mir hier sicherer als auf dem Grauschimmel, den du reitest. In Khoi wird auch gestohlen, wie du ja aus Erfahrung weißt.“
Wir schirrten die Pferde ab und übergaben sie dem Wirt; er stieg auf und ritt davon, uns ‚mehr als tausend Wünsche des Gelingens‘ zurücklassend, wie sein Ausdruck lautete. Bis jetzt hatten wir ihn vom Selbstmord abgehalten; ich hatte beinahe die feste Überzeugung, daß es uns auch gelingen würde, ihm sein Geld wiederzubringen.
Zunächst galt es, die Pferdegeschirre zu verbergen. Wir fanden schon nach kurzem Suchen ein vortreffliches Versteck, in welchem wir sie unterbrachten; dann folgten wir, jetzt aber zu Fuß, den Spuren der Kurden von neuem, doch nur bis dahin, wo sich das Flußbett teilte, denn von da an konnten wir
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