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29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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es können Stunden bis dahin vergehen.“
    „Stunden? Allah 'l Allah! Das werden Ewigkeiten sein! Wenn du nicht kommst und ich denke, daß du dich in Gefahr befindest, so fährt mir vor Ungeduld die Seele aus dem Leib. Bedenke doch, wenn man dich tötet, ohne daß ich dabei bin! Das hieltest du nicht aus und ich auch nicht!“
    „Allerdings! Das Getötetwerden hält kein Mensch aus, ich auch nicht. Aber wenn man mich tötet, so wäre es ganz gleich, ob du dabei bist oder nicht.“
    „Ich könnte wenigstens mit dir sterben!“
    „Das würde mich nicht wieder lebendig machen; aber du könntest mich rächen!“
    Das war das richtige Wort, mit dem ich ihn dahin brachte, wohin ich ihn haben wollte. Er schlug sich stolz in die Brust und sagte:
    „Ja, dich rächen! Dazu bin ich der richtige Mann! Geh also getrost, Effendi! Ich werde hier ganz geduldig und unbeweglich warten, bis du wiederkommst. Kommst du aber nicht, so wird sich binnen kurzer Zeit kein einziger von diesen Kelhurkurden mehr zu den Menschen rechnen können, die noch am Leben sind! Wenn sie es wagen sollten, dir nur die Haut zu ritzen, so sende ich sie alle in die Hölle, einen nach dem andern, bis keiner mehr von ihnen übrig ist. Das sage ich dir und was ich dir sage, darauf kannst du dich verlassen. Geh also, geh in Allahs Namen! Dein treuer Halef sitzt als Rächer hier, wenn du getötet wirst!“
    Ich hätte gern gelacht, ließ es aber, um ihn nicht zu beleidigen, bei meinem ernsthaften Gesicht bewenden, gab ihm die Gewehre, drückte ihm die Hand, indem ich ihm noch einmal einschärfte, sich ja ganz ruhig zu verhalten, und stieg dann, langsam und vorsichtig Fuß um Fuß vorsetzend, den Berg in derjenigen Richtung hinab, welche mich nach dem Lager bringen mußte.
    Nach meiner ungefähren Berechnung hätte ich, um es zu erreichen, unter gewöhnlichen Verhältnissen eine Viertelstunde zu gehen gehabt; aber die Vorsicht, welche ich anwenden mußte, konnte dieser Zeit eine Ausdehnung geben, die jetzt noch gar nicht zu bestimmen war. Glücklicherweise bestand der Boden aus weicher Humuserde; es gab keine Steine, die durch einen unvorsichtigen Schritt ins Kollern kommen konnten, und starke Bäume standen genug da, hinter denen ich mich, falls ich einen Menschen sah, sofort verstecken konnte. Man verhält sich bei Gelegenheiten, wie die jetzige eine war, in der Weise, daß man, hinter einem Baum stehend, mit den Augen die Umgebung absucht und zugleich das Ohr zu Hilfe nimmt, jedes verdächtige Geräusch zu entdecken; hat man keinen Grund zum Mißtrauen gefunden, so sucht man so rasch wie möglich den nächsten Baum zu erreichen, von welchem aus man das Spähen und Lauschen fortzusetzen hat. Das erfordert zwar Zeit, entschädigt aber für diesen Verlust mehr als reichlich durch die Sicherheit, die man dadurch für sich gewinnt.
    Indem ich diesen Trick anwendete, kam ich, ohne etwas Störendes bemerkt zu haben, binnen einer halben Stunde so weit den Berg hinab, daß ich endlich unter mir Stimmen hörte; die klangen jedenfalls vom Lager herauf, dessen Nähe ich erreicht hatte. Meine Abschätzung der Gegend und der Entfernungen war also richtig gewesen, obgleich es nicht etwa leicht ist, so, wie in meiner Lage, in fernem Land, zwischen Bergen und Wäldern, die man nicht kennt und wo die Lichtverhältnisse und der verschiedene Feuchtigkeitsgehalt der Luft das Auge täuschen, vorherzusagen, in welcher Weise und zu welcher Zeit man auf Umwegen, zu denen man gezwungen ist, einen bestimmten Ort erreichen werde.
    Nach dem Klang der Stimmen, die ich hörte, konnten die Sprechenden nicht weit von mir entfernt sein; darum nahm ich mich von jetzt an noch mehr zusammen als bisher, bewegte mich aber trotzdem in gerader Linie auf diese Leute zu. Dadurch hatte ich so viel Glück, daß ich es gar nicht größer hätte haben können. Ich gelangte nämlich an ein ausgedehntes aber nicht sehr dichtes Farngestrüpp, legte mich auf den Boden nieder und schob mich in dasselbe hinein. Kaum war ich da vier oder fünf Meter weit vorgedrungen, so fiel der Grund des Waldes vor mir fast senkrecht hinab, und ich sah mich oben über dem schmalen Hintergrund eines haarnadelähnlichen Einschnittes, dessen Seiten von Farn eingefaßt wurden. Da, wo ich lag, war es am tiefsten; seine Ränder senkten sich aber schnell nach vorn, wo er auf die Wiese mit dem kleinen Teich mündete, die den Lagerplatz der Kurden bildete. Dieser Einschnitt hatte seine Entstehung unbedingt einem fließenden Wasser zu

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