29 - Im Lande des Mahdi III
mir ein Gedanke auf, den ich sofort festhielt, obgleich seine Ausführung mir die Rettung der Gefangenen, die mir in anderer Weise wohl leichter geworden wäre, ungemein erschweren mußte.
Als das Hohngelächter verklungen war, setzte sich Schir Samurek wieder nieder und warf in unbeschreiblich verachtungsvollem Ton die Frage hin:
„Wißt ihr nun, wie vernünftige Männer über euch denken? Hat die Antwort, die ihr erhieltet, euch nicht die Knochen zu Mehl und Staub zermalmt? Morgen um dieselbe Zeit werdet ihr dasselbe Lachen aus dem Mund der Teufel in der Hölle hören, und es wird euch in die Ohren klingen in alle Zeit und Ewigkeit! Eure Erwartung ist Lüge, eure Hoffnung ist Täuschung, und euer Glaube ist Betrug. Weder Allah noch sein Prophet wird sich eurer erbarmen, denn das Blut, welches wir zu rächen haben, muß über euch kommen, und wenn ihr euch in eurer Todesangst dann an den falschen Gott der Ungläubigen wendet, welcher Isa heißt, so wird der Himmel sich vollends von euch wenden und die Hölle über euern Abfall jubeln!“
Da rief Aqil, welcher bis jetzt kein Wort gesprochen hatte:
„Mag er sich vollends abwenden, und mag sie darüber jubeln! Wenn weder Allah noch sein Prophet eine Rettung für uns wissen, so verlieren wir nicht, wenn sie uns vollends verlassen. Ist es etwa eine Sünde, einen Glauben aufzugeben, der sich seiner Anhänger nicht erbarmt und ihnen nur Tod und Rache bringt? Du aber, sprich ja nicht von Falschheit und Betrug, dessen Lüge und Hinterlist uns um das Leben bringt! Als ich dir gestern den Hengst des Fremden als Lösegeld bot, nahmst du es an und verhießest mir das Leben; als du aber erfahren hattest, wo das Pferd zu finden war, warfst du mich in Fesseln und nahmst dann auch noch meinen Sohn gefangen, als ihn der Zufall euch entgegenführte. Statt ich allein, sollen nun wir beide sterben. Ist das nicht Hinterlist und Falschheit, Lüge und Betrug? Ist es wirklich ein Abfall von unserm Glauben, wenn wir Rettung durch den Christen erwarten, weil kein Moslem uns aus den Händen derer befreien will und kann, die sich Gläubige des Propheten nennen?“
„So hofft getrost auf diesen Ungläubigen; ich habe nichts dagegen! Er, den du um sein teures Eigentum brachtest und den dein Sohn erstechen wollte, soll nun sein Leben wagen, um das eurige zu retten! Von welch einem Menschen kann man das verlangen! Bei Allah und bei meiner Seele, wenn er es dennoch täte, ich würde selbst auch am Islam irre werden und meine Augen auf den Gott richten, der am Kreuz gestorben sein soll, um die Sünder zu erretten und die Verlorenen wiederzufinden!“
„So mache dich ja bereit, deine Augen nach dem Kreuz zu richten, denn Kara Ben Nemsi wird sicher kommen. Ein Krieger wie er läßt ein solches Pferd nicht im Stich!“
„Allah! Wir sind dreihundert gegen ihn!“
„Hast du jemals gehört, daß er seine Feinde zählt?“
„Hund! Du scheinst ja diesen unreinen Wurm schon zu verehren und anzubeten wie einen Gott, der über dem siebenten Himmel thront! Selbst wenn er hier erscheinen sollte, würde es zu spät für euch sein; er würde auch in unsere Hände fallen, doch wäret ihr schon längst vorher im Magen des Bären begraben. Warum leihe ich überhaupt euern Reden meine Ohren? Wir mußten warten, weil der Bär erst spät, nachdem es dunkel wird, sein Lager zu verlassen pflegt; nun aber naht die Dämmerung, und ich brauche nicht länger zu zögern, mit dem Werk der Vergeltung zu beginnen. Jetzt, in diesem Augenblick, erhebt der Tod seine Hand, um sie nach euch auszustrecken; sobald das letzte Licht des Tages verschwindet, hat er euch ergriffen; da liegt ihr drüben in der Musallah el Amwat, und keinem Sterblichen, mag er nun ein Moslem oder ein Ungläubiger sein, wird es gelingen, euch zu erretten. Die Musallah ist die Kapelle der Toten, und wen die Toten übernommen haben, den geben sie nicht wieder heraus!“
Er warf dem Wächter einen Befehl zu; dieser entfernte sich und brachte acht oder zehn Kurden herbei, welche zwei starke Pfähle und viele Riemen bei sich hatten. Die Bebbeh sollten mit den Riemen an die Pfähle gebunden und dann mit Honig bestrichen werden; das war klar. Ich durfte nicht länger hier bleiben, denn ich mußte noch den Weg nach der Musallah rekognoszieren, den wir später in der Dunkelheit zurückzulegen hatten. Ich kroch also zurück, aus dem Farn heraus, und wandte mich nach der Seite hin, wo drüben die Kapelle lag. Dabei bewegte ich mich wieder vorsichtig von
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