29 - Im Lande des Mahdi III
verspreche dir auch, sie in meinem Innern zu erwägen, und nehme sogar ohne den Grimm eines wahren Gläubigen deine Aufforderung hin, dir bei der Herstellung des Kreuzes mitzuhelfen. Ist dir das für jetzt genug?“
„Ja. Du wirst also mithelfen?“
„Ich werde es. Und wenn der Prophet darüber zürnt, so will ich hoffen, daß sein Grimm nicht ewig währt.“
„An deiner Stelle würde ich mich um Mohammed und seinen Zorn ebensowenig kümmern, wie er sich um euch bekümmert hat, als der Rachen der Bärin vor euch offenstand!“
Da rief Aqil, welcher bis jetzt, still zuhörend, noch immer am Boden gesessen hatte, halb erschrocken und halb zustimmend aus:
„Welche Reden muß ich da vernehmen, ohne daß ich, wie ich eigentlich müßte, dich dafür anspucken darf! Du lästerst den Propheten, Effendi. Wie wird er dich dafür bestrafen!“
„Ganz so, wie er euch auch bestrafen würde, wenn er überhaupt bestrafen könnte.“
„Uns auch? – Wofür?“
„War es von euch als Moslemim nicht viel, viel mehr als eine solche Lästerung, daß ihr vorhin in der größten Not nicht Mohammed, sondern den Gott der Christen und den Gekreuzigten um Hilfe batet? Habt ihr da nicht beide gerufen, daß kein anderer als Isa Ben Marryam euch helfen könnte? Ich habe gesagt, daß Mohammed euch nicht geholfen habe; ihr aber sagtet, daß er euch nicht helfen könne; von wem ist er da mehr gelästert worden, von mir oder von euch?“
„Sei still, Effendi! Es waren gräßliche Augenblicke, in denen kein Mensch auf die Worte achtet, die er spricht. Die Hilfe war ein wahres Wunder, sie kam, als wir zu dem Gekreuzigten flehten; warum half Mohammed nicht, als wir ihn anriefen? Dein Isa Ben Marryam war also mächtiger als unser Prophet. Das ist wahr; wir haben es erfahren, und so dürfen wir es sagen, ohne befürchten zu müssen, daß wir damit eine Sünde begehen. Und wenn mein Sohn, der alle Satzungen des Islam kennt, bereit ist, das Kreuz mit euch zusammenzusetzen, so ist es mir, der ich kein Alim (Gelehrter) bin, wohl ebenso erlaubt, euch mitzuhelfen. Ich fühle noch jetzt die Nähe des Todes in allen meinen Gliedern; du hast uns das Leben gebracht, und wenn ich dir dafür einen Dank erweisen kann, so frage ich keinen Menschen danach, ob mir Mohammed das übelnehmen wird. Sag uns also jetzt, Effendi, was wir machen sollen!“
Die beiden waren heut ganz andere Menschen, als sie gestern gegen uns gewesen waren, und ich glaubte, annehmen zu dürfen, daß diese Änderung nicht nur für heut und morgen dauern werde. Wir löschten zunächst die Lichter aus, daß die Kelhur weder uns noch unsere Schatten sehen konnten; sie mochten denken, daß sie von den Bären umgerissen worden seien. Hierauf machten wir mit Hilfe unserer Messer den einen Pfahl, welcher den Querbalken bilden sollte, kürzer als den andern, und banden dann beide in der Weise zusammen, daß sie ein aufrechtes Kreuz bildeten. Als wir damit fertig waren, zogen wir die Bärin bis ganz vor an die Türöffnung und bauten schwere Steine aufeinander, woran sie aufgerichtet und so angelehnt wurde, daß es von weitem aussah, als ob sie auf den Hinterpranken stehe; dann gaben wir ihr das Kreuz in die Vordertatzen und banden Kreuz und Bärin so fest an die Steine, daß keines von beiden umfallen konnte. Nun gelüstete es keinen von uns, länger in der Musallah zu bleiben. Wir schafften die drei jungen Bären nach dem Hintergrund derselben, und verließen dann, nachdem ich den weggeworfenen Henrystutzen wieder zu mir genommen hatte, den Ort, der uns, wenn wir nicht so sehr vom Glück begünstigt gewesen wären, leicht ebenso verhängnisvoll hätte werden können, wie er es den beiden Bebbeh hatte werden sollen.
Ich wollte nach der Stelle oberhalb des Kelhurlagers hinauf, wo Halef am Nachmittag auf mich gewartet hatte, und traf grad diese Wahl, weil der Ort und der Weg von da herab mir bekannt geworden waren. Wir bewegten uns leise und sehr vorsichtig in der Weise, daß ich ein Stück voranschlich, denn die Neugierde konnte, seit die Lichter verlöscht waren, die Kurden näher zur Musallah herangetrieben haben. Es kam uns aber glücklicherweise keiner von ihnen in den Weg, und so langten wir oben an, ohne von jemand bemerkt worden zu sein.
Nun galt es, noch vor dem Grauen des Morgens eine höchst schwierige Doppelaufgabe zu lösen; ich wollte erstens unsere Pferde haben und zweitens auch den Scheik dazu. Beides mußte ich allein ausführen, weil mir weder Halef noch gar einer der
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