29 - Im Lande des Mahdi III
also fortbringen wollen, und er hatte sich gewehrt. Jetzt hing er an einem Riemen, der an einem in die Erde geschlagenen Pflock befestigt war. Halefs Gaul war ihm treu geblieben und lag neben ihm. Ich liebkoste den braven Rappen, worauf er mir die Hände wie ein Schoßhund leckte und dabei ein ganz, ganz leises, schnaubendes Stöhnen hören ließ. Damit wollte mir das ‚unvernünftige‘ Tier sagen, wie es ihm nach mir bange gewesen war und wie sehr es sich jetzt darüber freute, mich wiederzuhaben. Daß kein Wächter bei ihm war, konnte ich nicht begreifen. Die Kurden mußten durch den Umstand, daß unterhalb des Lagers Wachen standen, so vertrauensselig geworden sein, daß sie es nicht einmal der Mühe wert hielten, sich eines so kostbaren Pferdes zu vergewissern.
Ich zog den Pflock aus der Erde, daß es den Anschein haben sollte, als ob ihn das Pferd selbst herausgerissen und sich dann entfernt habe, wand ihm den Riemen, an dem er hing, um den Hals und gab ihm das das Zeichen zum Aufstehen. Rih gehorchte, und Halefs Pferd folgte sofort seinem Beispiel! Da ich wußte, daß der Hengst mir folgen würde, was ich aber von Halefs Gaul nicht behaupten konnte, so nahm ich den letzteren beim Zügel und führte ihn fort, genau nach der Stelle, an der ich aus dem Wald auf die Wiese gekommen war. Wir erreichten sie glücklich, und nun fühlte ich mich vor den Kurden geborgen, obgleich es eine außerordentlich schwierige Aufgabe war, die beiden Pferde in dieser unter den Bäumen herrschenden ägyptischen Finsternis und bei der Steilheit des Terrains bergan zu schaffen. Der Umstand, daß Pferde des Nachts besser sehen als Menschen, erleichterte mir dieselbe; ich führte Halefs Tier, und Rih kam von selbst hinterher. Der letztere wußte genau, daß er ruhig zu sein hatte, und der Gaul schien auch einzusehen, daß es hier gelte, vorsichtig zu sein. Beide kletterten langsam und behutsam tastend hinter mir her; wir mußten oft stillhalten, oft den im Weg stehenden Stämmen ausweichen, und so kann ich sagen, daß wir gewiß drei Viertelstunden brauchten, um den unter anderen Verhältnissen so kurzen Weg zurückzulegen.
Als wir uns dem Ort näherten, wo Halef mit den andern auf mich wartete, mußten sie uns natürlich hören. Er konnte seine Ungeduld nicht unterdrücken und fragte, noch ehe ich ihn erreicht hatte, natürlich aber nicht so laut, daß man ihn unten bei den Kurden hören mußte: „Wer kommt? Sihdi, bist du es?“
„Ja“, antwortete ich.
„Hamdullillah – Allah sei Lob und Dank, daß er dich wieder zu uns führt! Aber ich höre, daß du nicht allein bist. Ist jemand bei dir?“
„Ja.“
„Wer?“
„Die Pferde.“
„Rih und das meinige?“
„Ja.“
„Allah akbar – Gott ist groß! Aber meine Verwunderung ist fast noch größer, daß es dir gelungen ist, dieses ungeheuer schwere Werk zu vollbringen. Bist du oder sind die Pferde dabei verletzt worden?“
„Nein.“
„So ist das Wunder ein doppeltes und zehnfaches, und mein Erstaunen wächst so riesengroß, daß ich wollte, meiner kleinen Gestalt würde nur der millionste Teil von dieser Höhe hinzugesetzt. Gib her, Effendi! Ich muß Rih unbedingt einen Kuß geben und auch meinen alten Tehs (Ziegenbock) ein wenig streicheln. Dieses Wiedersehen erfreut mich beinahe so, als ob meine Hanneh, die süßeste und lieblichste Rose unter allen Frauen und Weibern, jetzt käme, mich zu begrüßen!“
Er kam mir die wenigen Schritte entgegen und liebkoste die beiden Tiere in der Weise, wie er es gesagt hatte. Dabei erkundigte ich mich:
„Wie steht es hier bei dir? Ist alles in Ordnung?“
„Ja, Effendi.“
„Habt ihr mit dem Gefangenen gesprochen?“
„Nur ich einige Worte; den Bebbeh hatte ich es verboten. Als er zu sich kam, war er erst eine Weile ruhig; dann warf er sich so hin und her, daß ich glaubte, er werde seine Fesseln zersprengen. Da ließ ich ihn die Messerspitze fühlen und habe ihm gesagt, daß seine Seele sofort Spazierengehen werde, wenn er nicht so unbeweglich liegen bliebe wie ein gebratener Hammelrücken im Reispillau mit Pfeffer und Rosinen liegt. Von da an hat er kein Glied mehr bewegt.“
„Weiß er, wer wir sind?“
„Ich habe es ihm nicht gesagt; aber vielleicht ahnt er es.“
„Und die Bebbeh? Wie haben die sich zu ihm verhalten?“
„Sie haben kein Wort gesprochen, seit du fort bist und so getan, als ob sie gar nicht da wären.“
Ich hatte diese Erkundigungen natürlich leise eingezogen; jetzt fügte ich
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