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29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Bebbeh dabei helfen konnte. Bei Halef war trotz seiner sonstigen Zuverlässigkeit doch die Möglichkeit, einen Fehler zu begehen, nicht ausgeschlossen, und der Bebbeh war ich so wenig sicher, daß ich, doch ohne daß sie es hörten, sie der Aufsicht des Hadschi übergab. Sie waren ganz natürlich so voller Grimm auf die Kelhur, daß ich ihnen einen unvorsichtigen Akt der Rache, der leicht alles verderben konnte, gar wohl zutrauen mußte. Ich ermahnte alle drei, sich bis zu meiner Rückkehr unbedingt vollständig still zu verhalten, übergab Halef meine beiden Gewehre, die ich aus leicht begreiflichen Gründen nicht mitnehmen konnte, und trat dann den Abstieg an, der jetzt im Dunkel der Nacht zehnmal schwieriger als am Tage war.
    Ich konnte, wie man sich auszudrücken pflegt, die Hand nicht vor Augen sehen und mußte mich also auf den Tastsinn verlassen. Darum stieg ich rückwärts hinab, Schritt für Schritt und mit dem Rücken vorwärts gerichtet, wie man von einer Leiter zu steigen pflegt. Mein Ziel war natürlich zunächst der schmale Einschnitt, von dessen Rand aus ich am Nachmittag Schir Samurek belauscht hatte; ich mußte vor allen Dingen wissen, wo er sich befand und was er machte.
    Als ich nach ziemlich langer Zeit das Farngestrüpp erreichte, war alles dunkel; man hatte im Lager keine Feuer brennen. Wo steckte der Scheik? Da unten in dem Einschnitt, wo ich ihn gesehen hatte? Ich glaubte diese Frage mit ja beantworten zu müssen, weil grad dieser Ort eine so bequeme Lagerstätte für den Anführer gab. Aber ob er allein oder mit anderen dalag, das gab für mich einen ganz gewaltigen Unterschied! Nach vorwärts hörte ich Stimmen; die Kurden schliefen also nicht. Das hatte ich auch erwartet, denn die Spannung auf den Ausgang der Bärenmahlzeit in der Musallah mußte sie wach erhalten. Grad unter mir aber, wo ich Schir Samurek vermutete, war alles still. Ich kroch mit außerordentlicher Vorsichtigkeit an dem Rand des Einschnitts hinab und schob mich, als ich unten angekommen war, in denselben hinein. Das war ein gefährliches Unternehmen, da ich jeden Augenblick auf einen Kurden stoßen konnte. Zu sehen war bei dieser Finsternis hier unter dem dichten Waldesdach rein nichts; zu hören ebensowenig; ich verließ mich also auf – meine Nase und auf die Fingerspitzen, mit denen ich um mich tastete. Man denke ja nicht, daß der Geruchssinn mir hier keine Dienste leisten konnte! Wäsche, und gar neugewaschene, kennt der gewöhnliche Kurde nicht; den Anzug wechselt er jährlich nur zweimal, im Frühling und im Herbst, wenn er nämlich so glücklich ist, einen Sommer- und einen Winteranzug zu besitzen, und Seife ist für ihn ungefähr grad so ein Luxus, wie Austern es für einen deutschen Weichensteller sind. Man kann sich also denken, daß so ein Mensch eine Dufthülle an sich hat, die mehrere Schritte weit reicht und von einer leidlich gutwilligen Nase gar nicht mißverstanden werden kann. Es gibt nur zwei deutsche Ausdrücke, die das, was ich meine, so ungefähr und auch nur von weitem bezeichnen, nämlich ‚muffig‘ und ‚nach Herberge riechen‘.
    Also ich tastete und roch mich langsam vorwärts, in den Einschnitt hinein, ohne auf jemand zu stoßen. Als ich aber den Hintergrund erreicht hatte, hörte ich die ruhigen, schweren Atemzüge eines Schlafenden. Das mußte Schir Samurek sein! Grad daß ich ihn nicht roch, bestärkte mich in dieser Annahme, weil er als wohlhabender Mann keine so penetrante Dufthülle wie ein armer Teufel besaß. Ich schob mich zu ihm hin und ließ meine Fingerspitzen leise, leise über seinen Anzug gleiten. Er schlief fest und befand sich allein an diesem Ort. Das war wieder ein Umstand, wie ich ihn mir gar nicht glücklicher hätte wünschen können. Das Kismet meinte es, obgleich ich es vorhin in so unfreundlicher Weise kritisiert hatte, heute überhaupt herzlich gut mit mir, aber eben ein Beweis, was für ein charakterloses Ding es ist!
    Ich bedurfte selbstverständlich keiner langen Zeit, einen Entschluß zu fassen und ihn auszuführen: ein derber Griff nach der Kehle – zwei Faustschläge an den Kopf – der Scheik gehörte mir! Ich nahm ihn auf die Schulter, richtete mich auf und trug ihn fort, auf demselben Wege, auf welchem ich gekommen war. Daß man mich dabei hören könne, hatte ich nicht zu besorgen; die einzige Schwierigkeit bestand darin, daß ich den Aufstieg mit der schweren Last im Dunkeln machen mußte; doch auch das wurde glücklich ausgeführt, und ich kam mit

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