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29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hände abwehrend aus und rief:
    „Sihdi, was fällt dir ein! Sei gehorsam deinem Glauben, ja; das aber ist zu viel; das ist zu viel gewagt!“
    Schir Samurek jedoch sprang auf, schlug beide Hände über den Kopf zusammen und frohlockte:
    „Frei bin ich, wieder frei, ganz frei! Der Tod war mir sicher, und nun wird mir dafür das Leben! Effendi, du hast den Sieg vollendet, von dem ich soeben sprach. Hör, was ich hierauf sage: Siehe, ich strecke beide Arme aus. Der linke zeigt nach Mekka, wohin der Moslem sein Angesicht richtet, wenn er betet, und der rechte deutet nach dem Bait el Makdis, wo dein Gekreuzigter gestorben ist. Ich wende mich nicht nach links, sondern nach rechts, damit Isa Ben Marryam höre, was ich dir verspreche: Niemals, nie, so lange ich lebe, werde ich den heutigen Morgen vergessen, an dem ich den Lehrer einer solchen Liebe und Barmherzigkeit kennenlernte; nie soll die Rache wieder in mir wohnen, und jeder Christ soll mir in meinem Zelt so willkommen sein, als ob sein Erzeuger auch mein Vater sei. Und damit ihr seht, wie ernst es meinem Herzen mit diesem Schwur ist, soll gleich jetzt und hier das erste Werk der Versöhnung vollzogen werden.“
    Er trat zu den Bebbeh, reichte ihnen beide Hände hin und fuhr fort:
    „Es lag Blut zwischen meinem Stamm und dem eurigen. Aqil hatte die Rache heraufbeschworen und wir weigerten uns, den Blutpreis anzunehmen. Ihr fielt in meine Hände, und ich wollte euch von den Bären fressen lassen. Mohammed konnte euch nicht retten; aber der Gott der Liebe hat euch durch die Hand dieses Christen befreit, in dessen Herzen eigentlich die Unversöhnlichkeit des Hasses gegen euch wohnen sollte. Soll der Christ die Moslemim beschämen? Nein! Wo wir so viel Barmherzigkeit von ihm erfahren haben, dürfen wir nicht mehr an Haß und Rache denken. Reicht mir also eure Hände, und seid damit einverstanden, wenn ich sage: Von dieser Stunde an soll zwischen den Stämmen der Bebbeh und der Kelhur Freundschaft sein anstatt Rache. Alles sei vergessen; die Alten sollen sich wie Brüder lieben, und die Jungen sollen einig wie Geschwister sein! Wollt ihr, Aqil und Ssali Ben Aqil, mit diesem meinem Vorschlag einverstanden sein?“
    Er hatte ihre Hände ergriffen und hielt sie in den seinigen fest. Die ausgestandene Todesangst, vielleicht auch mein unerwartetes Verhalten, hatte ihn, den Harten, weich gemacht, und diese Milde des sonst so steinherzigen, ja blutgierigen Mannes konnte unmöglich ohne Wirkung sein. Aqil antwortete:
    „Wir fühlten die Krallen der Bären in unserm Fleisch und den Hauch des Todes in unsern Seelen; da haben wir eingesehen, daß die Rache eine entsetzliche Tochter des Hasses ist, und sind bereit, uns zu der Liebe zu bekehren. Es sei darum, wie du gesagt hast: es walte Freundschaft zwischen euch und uns, zwischen eurem Stamm und dem unserigen; eure Freunde seien unsere Freunde, und unsere Feinde seien auch eure Feinde. Die besten und wertesten Freunde aber, welche beide Stämme haben, das sollen Hadschi Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar sein, der einen noch längeren Namen hat.“
    Da sprang der kleine Hadschi zu ihnen hin, vereinigte seine Hände mit den ihrigen und rief:
    „Ja, mein Name ist viel, viel länger, als ihr denken und aussprechen könnt, denn die Zahl meiner Väter, Urväter und Urvatersväter der Ahnenväter reicht bis zu dem Augenblick hinauf, an welchem der erste Vater auf Erden geboren wurde. Aber meine Freunde brauchen mich nur Hadschi Halef zu nennen, und da ihr nicht mehr unsere Feinde, sondern unsere Freunde sein wollt, so erlaube ich euch die ruhmreiche Kette meiner Vorfahren unerwähnt zu lassen. Allah hört und sieht den Bund, den wir jetzt schließen; er wird jeden strafen, der es wagt, ihn zu brechen. Komm, Sihdi, gib deine Hände auch mit zum Versöhnungsfest, welches mit der Honigliebe der Bären begonnen hat und selbst dann kein Ende finden soll, wenn kein Honig mehr in den Bäumen wächst und keine Bären mehr auf Erden wandeln!“
    Ich folgte seiner honigreichen Aufforderung und hatte eben einige Worte der frohen Zustimmung gesagt, als ein vielstimmiges Geschrei vom Kurdenlager zu uns heraufscholl. Die Kelhur hatten den Bären gesehen und die Abwesenheit ihres Scheiks bemerkt. Daß dies nicht schon früher geschehen war, daran trug der Morgenwind die Schuld, welcher vom Tal aufstieg und die dichten Nebelmassen nach der Höhe trug. Diese hatten sich als undurchsichtige Decke auf das Lager gelegt und den Ausblick von dort aus

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