29 - Im Lande des Mahdi III
gibt keinen Gott außer Gott!“
Hierauf folgte das eigentliche Gebet, welches sehr lang war und von den verschiedensten Verneigungen und anderen Bewegungen des Körpers, der Arme und der Beine begleitet wurde. Da sich vielleicht mancher Leser dafür interessiert, möchte ich es niederschreiben; andere aber würde es ermüden, besonders wegen der vielen Wiederholungen, und so mag es mit der Beschreibung der Waschungen sein Genüge haben. Jedes Wort, welches der eine Fremde sprach, sagte der andere in halblautem Ton nach, und ebenso ahmte er jede Bewegung so genau und peinlich nach, daß man sich eines Lächelns nicht erwehren konnte, wenn man sich eine Versammlung vieler solcher Beter in einer Moschee vorstellt, wo alle Köpfe, Rücken, Hände und Füße den Bewegungen des Kopfes, des Rückens, der Hände und der Füße des Vorbeters mit einer Genauigkeit folgen, welche der hölzernen Übereinstimmung am Draht gezogener Marionetten gleicht. Der Geist wird durch diese Äußerlichkeiten getötet, und das Gebet verwandelt sich in ein gedankenloses Plappern. Auch sage man mir ja nicht, daß diese vorgeschriebenen islamitischen Phrasen infolge der dabei vorkommenden Worte wie Barmherzigkeit, Gnade, Reue usw. denn noch Ähnlichkeit mit christlichen Gebeten haben! Das sind nur leere, hohle Silben, die keinen Inhalt haben und ohne wahres Herzensbedürfnis ausgesprochen werden. Das wahre, zermalmende Zentnergewicht des Wortes Sünde ist nur dem Christentum bekannt, und ebenso kennt auch nur der Christ den hellen, unbeschreiblichen Jubel, der aus dem Wort Gnade klingt.
Als das Gebet zu Ende war, banden die beiden Muselmänner ihre Tücher wieder um die Köpfe und nahmen dann die Arbeit an dem Floß wieder auf. Sie waren dabei nicht so schweigsam wie vorher, sondern sie unterhielten sich, und zwar über einen Gegenstand, welcher mein ganzes Interesse in Anspruch nahm. Sie schienen die Anwesenheit eines andern Menschen für eine Unmöglichkeit zu halten, auch wenn die Entfernung zwischen uns und ihnen die doppelte gewesen wäre.
Wie horchte ich auf, als ich den Namen Ibn Asl nennen hörte! Der, welcher ihn ausgesprochen hatte, fügte den Stoßseufzer hinzu:
„Wenn er doch recht bald zu den Seinen zurückkehrte! Er war streng, ja hart, und ahndete jede Widersetzlichkeit mit dem sofortigen Tod; aber unter ihm waren wir doch freie Männer, die sich selbst vor dem Teufel und dem Raïs Effendina nicht fürchteten. Nun aber sind wir arme Knechte, deren Lohn in die Taschen anderer fällt, und die Botendienste leisten müssen, wenn sie nicht verhungern wollen. Allah verdamme die neue Lehre, welche sagt, daß es Sünde und Verbrechen ist, Reqiq zu machen!“
„Diese Lehre ist von den Christenhunden ersonnen worden, um den Pascha in ihren Schlingen zu fangen“, stimmte der andere bei. „Wollen wir uns zwingen lassen, ihm und ihnen zu gehorchen?“
„Nein! Was geht uns das Christentum und was geht uns der Pascha an, welcher den Ungläubigen gehorcht? Wir sind Söhne des Islam, welcher Sklaven braucht. Predigt nicht auch der neue Murabit (Heilige) von Aba mit gewaltiger Stimme, daß Allah befohlen habe, alle Ungläubigen, schwarze oder weiße, sollen Sklaven der wahren Gläubigen sein?“
„Ja, das tut er, und Allah steigt des Nachts hernieder, um ihm solche Worte einzugeben. Es ist seit Mohammed kein Prophet erschienen, der diesem neuen Propheten gleicht. Wenn er von Allah den Befehl erhielte, die heilige Fahne zu entfalten, würde er sie über den ganzen Erdkreis tragen und viele Millionen Sklaven wären unser!“
Was ich da hörte, war mir ein Rätsel. Der Murabit von Aba! Wen hatte ich mir unter diesem ‚neuen Heiligen‘ zu denken? Aba ist eine Insel des weißen Nils; das wußte ich; aber nie hatte ich gehört, daß ein Murabit dort wohne. Aber der Heilige wurde ‚neu‘ genannt. War er vielleicht erst erstanden, seit wir diese Gegend des Nils verlassen hatten, um südwärts zu segeln? Die heilige Fahne sollte er entfalten? Da mußte er sich für den erwarteten Mahdi ausgeben. Ich dachte unwillkürlich an Ssali Ben Aqil, den Kurden, welcher den Mahdi suchte, und zugleich an jenen Fakir el Fukara, mit dem wir damals vom Brunnen in der Chala zusammengetroffen waren, als ich den Löwen von El Teitel schoß; er hatte sich hinreißen lassen, mir einzugestehen, daß er sich für den Mahdi halte, aber diese Rede von seiner ‚Sendung‘ war von mir nicht ernst genommen worden. Wenn ich mich recht entsinne, hatte er sich
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