29 - Im Lande des Mahdi III
sehr ruhigen Wassers leicht übersetzen kann.
Der Mittag war nahe, als der Nil sich in mehrere Arme teilte, zwischen denen niedrige Inselbänke sich hinzogen. Das Wasser floß in diesen Betten so ruhig dahin, daß, wenn es eine Furt, eine zum Übergang geeignete Stelle gab, sie unbedingt hier sein mußte. Kein einziges Krokodil war auf den Bänken zu sehen, und der tiefste dieser Flußarme hatte eine so geringe Breite, daß er sehr leicht überschwommen werden konnte. Wir legten an jeder der Inseln an, um sie zu untersuchen. Sie waren alle mit Omm Sufah und Gebüsch bewachsen, eine schnellwuchernde Vegetation, welche jede Spur in kurzer Zeit begräbt. Aber auf der Bank, welche dem linken Ufer am nächsten lag, fanden wir eine noch nicht ganz vom Sacharumgras verdeckte Schebah, also eine jener schweren Gabeln, welche die gefangenen Schwarzen am Hals tragen müssen. Wie kam diese Schebah hierher? Jedenfalls war ein Sklaventransport hier über den Fluß gegangen. Ich ließ vollends an das Ufer rudern, um auch dort nachzuforschen. Es gab dort ein dichtes Ambakgestrüpp, welches meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Der Ambak oder Ambatsch ist ein zu den Schmetterlingsblütlern gehöriger Strauch, dessen Stämme zur Zeit der Überschwemmung schnell mehrere Meter hoch über den höchsten Wasserstand aufschießen, um nach dem Fall des Wassers abzusterben. Das Holz ist schwammig, aber doch sehr dauerhaft und dabei so leicht, daß es allgemein als Material zu Flößen benutzt wird. Ein Floß, welches zwei, ja drei Personen hält, kann ohne Mühe von einem Mann über Land getragen werden.
Der größte Teil dieses Gestrüppes war schon abgestorben; die Pflanzenleichen lagen unter Papyrusstauden versteckt; aber weiter entfernt vom Wasser fand ich, was ich suchte: da war in einem stacheligen Akaziengebüsch ein ganzer Vorrat von Ambakhölzern aufgeschichtet. Das konnten nur Menschen getan haben! Und wozu? Um hier, grad hier Flöße zusammenzusetzen, mit deren Hilfe solche Personen, die nicht schwimmen konnten, über den einen, tiefen Flußarm geschafft werden sollten. Wir hatten eine Furt entdeckt. Ob das uns etwas nützen werde, war freilich eine andere Frage. Wer weiß, wie lange Zeit seit der letzten Benutzung dieser Machadah vergangen war, und wer weiß, wie viele Wochen oder gar Monate man auf den nächsten Übergang hätte warten müssen! Aber uns trieb ja nichts davon, und so nahm ich mir vor, die Stelle einmal recht gründlich in Augenschein zu nehmen.
Dazu war zunächst nötig, unser Boot zu verstecken. Es konnte ja immerhin grad jetzt jemand kommen, der es nicht zu sehen brauchte; es mußte von dieser Stelle fort. Wir ließen es also abwärts treiben, bis wir ein weit überhängendes Laubdach erreichten, unter welchem wir anlegten und das Fahrzeug ganz an das Ufer zogen. Die Asaker mußten als Wächter dabei bleiben; ich aber entfernte mich mit Ben Nil, um nach der Machadah zurückzukehren. Vorher wandten wir uns rechts empor dem hohen Ufer zu, um zu sehen, ob es von dort aus einen besonderen Zugang zu der Furt gebe. Je weiter wir uns dabei vom Wasser entfernten, desto lichter wurde der erst sehr dichte Wald. Oben auf der Höhe angekommen, sahen wir die Bäume schon stellenweise so weit auseinander stehen, daß sich ihre Zweige nicht mehr berührten. Da bogen wir nach links ein, um in den Rücken der Machadah zu kommen.
Weniger aus für notwendig gehaltener Vorsicht als vielmehr aus zur zweiten Natur gewordener Gewohnheit spähte ich da zwischen den Stämmen hindurch, um die etwaige Anwesenheit von Menschen rechtzeitig zu bemerken, dennoch hätte ich wohl kaum einem sehr wichtigen Gegenstand die nötige Beachtung geschenkt, wenn mich nicht Ben Nil auf ihn aufmerksam gemacht hätte. Er sah nämlich einige Handvoll abgerissenen Grases seitwärts von uns auf dem Boden liegen und sagte es mir. Wir gingen hin. Es war sehr langes Andropogongras. Kaum hatte ich das erkannt und die Fußstapfen dabei im weichen Boden, so nahm ich Ben Nil bei der Hand und zog ihn in schnellem Lauf fort, wieder zurück, hinunter, woher wir gekommen waren. Ich hielt erst wieder an, als wir unsere Asaker und das Boot erreichten.
„Aber, Effendi, was fiel dir so schnell ein?“ fragte er. „War das Gras die Ursache dieser Flucht?“
„Ja“, antwortete ich.
„Warum?“
„Wo solches Gras ausgerissen worden ist, da müssen Menschen sein.“
„Können nicht Tiere es ausgerissen haben?“
„In diesem Fall nicht. Dieses Riesengras wird
Weitere Kostenlose Bücher