29 - Im Lande des Mahdi III
antwortete:
„Der Name deines Khedive ist mir vollständig gleichgültig; ich stehe nicht in ägyptischem Dienst.“
„Aber in dem meinigen! Ich bin dein Vorgesetzter, dem du zu gehorchen hast. Ich arretiere dich.“
„Ist das denn wirklich dein Ernst?“
„Es ist mir so ernst, daß ich dich augenblicklich niederschießen werde, wenn du nur die geringste Miene oder Bewegung machst, mir zu widerstehen!“
Er zog seine Doppelpistole, spannte beide Hähne und richtete die Läufe gegen meine Brust. Ja, er machte Ernst; das sah ich ihm an. Er war fest entschlossen, auf mich zu schießen, wenn ich nicht gehorchte. Er war kein kalter Abendländer, sondern ein Orientale, der sich nicht beherrschen konnte, zumal er in der fast ganz selbständigen Stellung, welche er bekleidete, verlernt hatte, sich irgendeinem Willen zu fügen. Was sollte ich tun? Ihm gehorchen? Das konnte mir nicht einfallen. Ich war es mir und meiner deutschen Abstammung, auf welche ich stolz wie nur irgendeiner bin, schuldig, ja nun erst recht schuldig, ihm zu zeigen, daß ich kein leicht einzuschüchternder Knabe sei. Darum gebot ich ihm in drohendem Ton:
„Nimm die Waffe weg!“
„Fällt mir nicht ein!“ antwortete er. „Ergibst du dich mir? Sag es schnell! Denn ich werde nur bis drei zählen; hast du dich da noch nicht gefügt, so schieße ich. Also eins – – –“
Er kam nicht einmal bis zur zwei, denn ich riß ihm schon bei der eins die Pistole aus der Hand, warf sie weg, faßte ihn bei den Oberarmen, hob ihn auf und schmetterte ihn auf die Erde nieder.
„Hund, räudiger!“ brüllte er, indem er sich aufzuraffen suchte. „Das mußt du mit deinem Leben bezahlen!“
„Pah!“ antwortete ich. „Du bist es, der bezahlen wird; du hast es nicht anders gewollt!“
Dies sagend, schlug ich ihm, der im Aufstehen den Kopf schief gegen mich erhob, mit der Faust so gegen die Schläfe, daß er wieder niedersank und mit einem wie ein Seufzer verschwindenden Atemzug sich lang ausstreckte. Er hatte das Bewußtsein verloren. Ohne mich zunächst weiter um ihn zu bekümmern, rief ich dem Askari, der noch in der Jolle saß und alles gesehen hatte, zu, herbeizukommen. Er gehorchte. Bei mir angekommen, sagte er, indem er seinen Blick ängstlich zwischen mir und seinem betäubten Vorgesetzten hin und her schweifen ließ:
„Was hast du getan, Effendi! Ich weiß zwar, daß du recht hast, denn ich habe alles gehört; aber der Raïs wird nicht eher ruhen, als bis er diesen Hieb an dir gerächt hat!“
„Ich fürchte seine Rache nicht. Sag mir vor allen Dingen jetzt aufrichtig: Wer ist dir lieber, er oder ich?“
„Meine Antwort lautet so, wie sie dir jeder von uns geben würde: Ihm müssen wir gehorchen, dich aber haben wir lieb.“
„Gut! Ich trete jetzt an seine Stelle. Du weißt, daß ich schon oft für ihn das Kommando über euch geführt habe; so wird es auch jetzt sein. Ihm wird nichts geschehen, und ihr werdet nur Vorteile davon haben. Hilf mir, ihn zu binden und auf die Höhe der Mischrah zu schaffen!“
„Werde ich später nicht dafür bestraft werden, Effendi?“
„Nein; ich verspreche es dir.“
„Du hälst stets, was du versprichst, und so werde ich dir ohne Angst gehorchen.“
Ich nahm dem Raïs Effendina die Waffen und fesselte ihn mit seinem eigenen Gürtel; dann trugen wir ihn hinauf, wo meine Rückkehr besonders von Ben Nil mit großer Spannung erwartet worden war. Wie erstaunte er, als wir den Raïs Effendina als Gefangenen brachten, und wie staunten dann die El Homr und auch die Sklavenhändler, als sie hörten, wer der gefesselte Mann war, den wir bei ihnen niederlegten. Ich will nicht grad sagen, daß ich va banque spielte, aber ein gefährliches Spiel war es, welches ich wagte. Wenn einer der Faktoren, mit denen ich jetzt rechnete, nicht stimmte, so konnte sehr leicht mein Tod das Fazit sein. Von seiten des Raïs Effendina hatte ich, wie ich ihn kannte, nicht die mindeste Schonung zu erwarten. Als er vorhin vom Schiffsgefängnis gesprochen und ich ihm darauf gedroht hatte, den Spieß umzukehren, war es mir nicht eingefallen, anzunehmen, daß ich gezwungen sein werde, grad diese Drohung auszuführen. Es gab zwar verschiedene leichtere Wege, mich aus der jetzigen Lage zu ziehen, aber sie erschienen mir alle zu unrühmlich, als daß ich einen von ihnen hätte einschlagen mögen. Sollte ich dem Raïs Gelegenheit geben, mich der Feigheit zu zeihen? Nein! Lieber wollte ich es auf eine Gefahr ankommen lassen, die
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