29 - Im Lande des Mahdi III
sind sie jetzt wieder bei mir, und ich mache diesen Befehl null und nichtig. Bist du auf Matenieh gewesen?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Weil ich nur bis hierher kam.“
„Nur bis hierher? Allah! Ich habe dir aber doch befohlen, bis Matenieh zu gehen!“
Er stellte mich in einem Ton zur Rede, als ob ich ein gewöhnlicher Askari sei. Das machte mir zwar heimlich Spaß, ich durfte es aber nicht dulden; darum nahm ich denselben Oberton an wie er und antwortete:
„Du mir befohlen? Seit wann hast du mir etwas zu befehlen?“
„Seit ich – – –“ Er hielt inne, trat einen Schritt zurück und fragte: „Wie sprichst du mit mir? Fällt es dir etwa ein, mir gegenüber den Gebieter zu spielen?“
„Welch ein Ausdruck! Einfälle habe ich nie, und noch viel weniger bin ich gewohnt, zu spielen; das merke dir! Ich pflege nur stets ganz in derselben Weise zu antworten, in welcher man mich fragt. Mit Grobheiten und Rücksichtslosigkeiten kommt man bei mir nicht fort.“
„Allah 'l Allah! Ist das der Dank für die Wohltaten, die ich dir erwiesen habe?“
„Ja, denn es ist kein Dank, weil es keine Wohltaten gab. Forderst du dennoch Dank von mir, gut! Den deinen aber, den du mir schuldig bist, magst du behalten; ich verzichte auf ihn.“
„So bist du mit mir fertig?“
„Ja.“
„Ich mit dir auch; drum kann ich gehen.“
„So geh!“
Er hatte wohl erwartet, daß ich bitten würde. Bei meiner kurzen, entschlossenen Antwort trat er abermals einen Schritt zurück, sah mich erstaunt an und warnte:
„Weißt du, was du sagst und tust? Du befindest dich nicht in Kairo, sondern in der Halbwildnis am oberen Nil!“
„Das weiß ich auch!“
„Und dennoch sagst du, daß ich gehen soll?“
„Ja.“
„Gut, so sind wir freilich fertig! Wo ist das Boot, welches ich dir geliehen habe?“
„Dort, dreißig Schritte von hier liegt es am Ufer.“
„Ich nehme es mit; ich kann es dir nicht lassen.“
„Ganz wie du willst!“
„Wenn du aber hier zugrunde gehst?“
„Ich? Pah! Ich versichere dir, daß ich eher in Khartum und auch eher in Kairo sein werde als du.“
„Du bist wahnsinnig; ich mag nichts mehr mit dir zu schaffen haben.“
Er wandte sich von mir ab zu den Asakern und befahl ihnen:
„Fort, ihr Halunken, in das Boot! Ihr rudert nach dem Schiff und kommt an Bord mit mir!“
Er ging nach seinem Boot. Sie blieben noch einen Augenblick stehen und sahen mich still, besorgt und fragend an. Ich forderte sie leise auf: „Gehorcht ihm jetzt! Wir sehen uns bald wieder.“
Da gingen sie. Er ließ vom Ufer abstoßen und rief mir da noch zu:
„Ma'assalami – gehab dich wohl! Das Ufer ist dein und das Schiff mein! Wage nicht, es wieder zu betreten, ich würde dich niederschießen!“
„Einverstanden! Ich werde nicht kommen, bis du mich darum bittest. Dieses Ufer ist mein, aber ich werde dir nicht wehren, es zu betreten.“
„Du bist sehr gnädig. Fahre zum Teufel!“
„Das tue ich nicht; aber du fährst in den Tod, du mit allen deinen Leuten!“
Ich legte ganz besonderen Nachdruck auf diese Warnung; er beachtete sie nicht, aber ich wußte, daß sie die beabsichtigte Wirkung nicht verfehlen würde, denn er kannte mich und sagte sich gewiß sehr bald, daß ich ganz sicher einen triftigen Grund haben müsse, ihn zu warnen. Ich sah den beiden Booten nach, bis sie bei dem Schiff anlegten und wandte mich dann ab, um mich allein beim Feuer niederzusetzen.
Da saß ich nun, ein in die Wildnis Gewiesener! Nicht einmal an meine Effekten, die noch auf dem Schiff waren, hatte er gedacht. Ich fühlte mich nicht etwa mutlos, o nein, gar nicht! Ich hatte Ben Nil mit seinem Goldstaub; ich hatte die El Homr, und ich hatte – was noch viel mehr, was überhaupt mehr als alles wert war – ich hatte meinen festen Glauben an und mein ebenso felsenfestes Vertrauen zu Gott! Es gibt einen himmlischen Vater, der keines, keines seiner Kinder verläßt, der selbst in der tiefsten Wildnis, in der schauerlichsten Wüste, in der Abgeschiedenheit des fernsten Erdenwinkels bei dem von allen Menschen verlassenen Erdenpilger bleibt, wenn dieser die Hand der ewigen Liebe nicht von sich weist!
Aber traurig war ich, ernstlich traurig. Wo war die einstige Freundschaft dieses Raïs Effendina hin? Und was hatte ich getan, daß sie mir verlorenging? Er forderte eine unverdiente Dankbarkeit von mir, während er die verdiente mir verweigerte. Gibt es etwas Häßlicheres auf Erden als die Mißgunst und den Neid? Konnte sich
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